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Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher

Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher

Titel: Sigi Wulle 3 - Sigi Wulle und der Einbrecher
Autoren: Heinrich Kraus
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legte den Arm um meine Schulter. So saßen wir eine Weile und sagten kein Wort. In der Straße unten klapperten Mülleimer, die gerade entleert wurden.
    „Es ist ohnehin Zeit aufzustehen“, sagte sie schließlich.
    Ich nickte.
    „Ein schwerer Tag steht uns bevor.“
    „Er hat schlimm genug begonnen!“
    Onkel Eduard lag auf dem Rücken und schlief noch fest. Er schnarchte nun nicht mehr, sondern pfiff jedesmal, wenn er den Atem ausstieß, was lustig aussah. Da die Patin meinte, daß auch er genug gepennt hatte, durfte ich ihn wecken. Ich tat es mit einer Bettfeder, die ich aus einem Kissen zog und über sein blasses Gesicht gleiten ließ, wobei er die spaßigsten Grimassen schnitt, weil es ihn kitzelte. Darüber lachten wir, und ich fand immer neue Arten von Grimassen, so daß sich Patin Berta nicht mehr halten konnte. Zuletzt steckte ich die Feder in eines seiner Nasenlöcher, worauf er erst die Nase rümpfte und dann schrecklich laut nieste. Da fuhr er erschrocken auf, guckte um sich herum und war wach.
    Ihm brummte der Schädel, und er hätte sich gern auf die andere Seite gedreht; aber Patin Berta war unerbittlich und zog ihm die Bettdecke weg, so daß er mit dürren, langen und weißen Beinen vor Wut strampelte. Doch als sie ihm sagte, daß man einen Ganoven zu fangen habe, was er wohl vergessen hatte, sprang er sofort aus den Federn und kleidete sich an. Es gibt nämlich nichts, das ihn von der Verfolgung der Bosheit abhält, nicht einmal seine eigene Schwäche.
    Auch ich wollte gerade in die Hose schlüpfen, als die Patin mir sagte, daß wir uns doch verkleiden wollten. Ich nickte und wartete auf das Zeug, das sie aus einem Koffer kramte, indem ich Onkelchen betrachtete, der sich mangels Waschlappens und Zahnbürste nur andeutungsweise wusch. Dann fielen mir fast die Augen aus dem Kopf, denn was sie mir hinhielt, war... ein Rock!
    „Nee!“ murmelte ich.
    „Aber Sigilein !“ flüsterte sie.
    „Bin ich ein Weib?“
    „Es geht doch darum...“
    „Als Junge kann man sich ebenso gut verkleiden!“
    „Aber nicht so perfekt!“
    „Doch!“
    „Hör mal zu, Sigi!“
    Dann erklärte sie mir, daß mich dieser Charly als verkleideter Junge vielleicht wiedererkennen würde, aber niemals als Mädchen, und daß er vor einem Mädchen sicher weniger vorsichtig sei. Ob ich nicht gelesen habe, daß auch Indianer sich manchmal als Squaws verkleidet hätten, um die Feinde zu überlisten. Als ich es verneinte, versprach sie, mir zu Ostern das Buch zu schenken, in dem es beschrieben sei. Da es auch der Onkel bestätigte und hinzufügte, daß auch bei den Germanen so was vorgekommen sei und die Griechen sich sogar in ein hölzernes Pferd verkrochen hätten, um Troja zu erobern, gab ich halt nach. Aber so ein rosa Spitzenhöschen wollte ich nie im Leben anziehen und mich darin unter die Leute begeben.
    Ich schlüpfte also in den Rock und in einen blauen Pullover, in eine ebenfalls blaue Strumpfhose und Schuhe mit Absätzen, die mich beim Laufen ein bißchen behinderten. Auf den Kopf setzte mir Patin Berta eine blonde Perücke mit Schillerlocken, und dann schminkte sie mir noch das Gesicht, um die Sommersprossen zu verdecken.

    Am besten gefiel mir ein Poncho aus bunter Wolle, den sie mir über die Schulter legte, weil er von Indianern erfunden ist und auch von ihnen getragen wird, wobei es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Für Strups reichte sie mir ein zierliches Handtäschchen, in dem bereits ein halber Apfel und eine Gelbrübe lagen. Da hinein setzte ich mein Meerschweinchen, und ich sah, daß er sich darin wohl fühlte, denn er begann gleich mit dem Frühstück.
    Als ich vor dem Spiegel stand und hineinblickte, erkannte ich mich selbst nicht mehr. Es war tatsächlich ein Mädchen entstanden. Aber ich ärgerte mich, weil sich Onkel Eduard kaum das Lachen verkneifen konnte, was ich durch den Spiegel feststellte, und Patin Berta ihm heimlich Zeichen machte, daß er sich beherrschen sollte. Außerdem begann ich unter Perücke und Poncho zu schwitzen, was ich den beiden sagte. Da steckte mir Onkel einen Geldschein zu und erklärte mir, daß ich damit einige Süßigkeiten kaufen könne, vielleicht Blätterteigstückchen oder Amerikaner oder Schneckenhäuschen, und wieder auf der Straße aufpassen solle, damit uns der Charly nicht entwischt.
    Dann bedeutete er uns, stille zu sein. Er schlich zur Wand an der Seite, wo der Ganove wohnte, legte das abstehende Ohr daran und lauschte. Charly war bereits auf
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