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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal
Autoren: Roland Brodbeck
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Prinzenparty
    „Sascha, in einer Stunde kommt Seine Königliche Hoheit Prince Harry. Und du wirst nicht kneifen, wenn der Prinz deiner Schwester im Auftrag der Queen den Titel ‚Lady‘ verleiht. Hörst du mir überhaupt zu?“
    „Ja, Mum“, antwortete ich schräg auf dem Bett liegend meiner Mutter. Ich blätterte gerade im Spektrum der Wissenschaft . Wirklich auf den Inhalt konzentrieren konnte ich mich natürlich nicht, wenn sie von der Tür aus nervte.
    „Manchmal habe ich den Eindruck, du vergisst unsere königliche Verwandtschaft.“
    „Wir sind ja aus der Königsfamilie rausgeflogen, weil Papi Katholik ist“, gab ich genervt zurück. Mit meiner britischen Mutter redete ich stets Englisch, mit gelegentlichen unübersetzbaren schweizerdeutschen Ausdrücken vermischt. Mit Papi pflegte ich natürlich eine freche Züri-Schnurre.
    „Lediglich aus der Thronfolge. Trotzdem bist du der Enkel des nächsten Königs von Großbritannien. Hast du deinen Anzug gesehen, Sascha?“, rief sie nun etwas verärgert.
    „Glaube schon.“ Gesehen hatte ich diesen kratzenden Anlageberateranzug durchaus, doch ich verspürte überhaupt keine Lust, so etwas zu tragen.
    „Zeitungsreporter sowie Glanz und Gloria vom Schweizer Fernsehen werden auch kommen“, nervte meine Mum weiter durch die Tür. „Ich leg deine Flyer 8. Juni 2005: Ja zum Partnerschaftsgesetz auf das Altpapier, ihr Schwulen habt ja diese Abstimmung zur Einführung der Homo-Ehe vor ein paar Wochen gewonnen.“
    „Mum, nicht!“ Wieso müssen Mütter immer die wertvollsten Sachen wegräumen, fragte ich mich.
    Sollte ich mich darüber ärgern, dass Mum vorhin „ihr Schwulen habt gewonnen“ und nicht „wir haben gewonnen“ gesagt hatte? Viel zu viele junge Schwule flogen bei den Eltern raus – ich hingegen durfte auch nach meinem Coming-out in Papis Villa mit See- und Alpenblick in Zürich am Heuelsteig nahe dem Luxushotel Dolder wohnen, obwohl Mum Anglikanerin und Papi katholisch war. Meine Zwillingsschwester hat ihren schwulen Bruder mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Ich würde ja gut aussehen, also sei ich trotzdem an ihren Partys halbwegs vorzeigbar.
    Ich gab mir einen Ruck, stand auf und legte die Zeitschrift weg. Der darauf folgende Blick in den Spiegel gefiel mir immer wieder. Ja, ich gebe es zu: Ich hatte eine eitle Freude an meinem Körper. Ich war schlank, blond und hatte blaue Augen. Manche meinten, ein paar Muskeln oder zumindest etwas Haar im Gesicht würden mir guttun, dann müsste ich als Zwanzigjähriger nicht mehr an der Kinokasse den Ausweis zeigen. Aber ich gefiel mir als Lausbub.
    Ich war aber nicht immer so selbstbewusst gewesen. Im Untergymnasium an der Kantonsschule Rämibühl war meine sexuelle Orientierung mein großes Geheimnis gewesen. Ich war immer der Jüngste der Klasse, da ich in der Primarschule ein Jahr übersprungen hatte. Das Internet kam in dieser Zeit so richtig in Fahrt und Papi hatte den Ehrgeiz, seinem verwöhnten Sohn immer das Neueste vom Neuen an Informationstechnik zu bieten. Als Erbe der Firma Burgo-Invest hatte er ja auch mehr als genug Kohle.
    Im zehnten Schuljahr begann ich, mich mit Hilfe des Internets intensiver mit Homosexualität auseinanderzusetzen. Dank meiner Mum hatte ich keine Probleme mit Englisch und konnte die schwulen Internetseiten aus den USA lesen. Vorher hatte ich keine Ahnung gehabt. Weder hatte ich an der Schule etwas Fundiertes darüber gehört, noch fiel zu Hause ein Wort über Homosexualität. Ich hatte bis dahin mit dem Gefühl gelebt, dass etwas Megaschlimmes passieren müsste, wenn rauskäme, dass ich schwul war. Im Internet erfuhr ich, dass diese Befürchtung für die meisten Orte auf der Welt tatsächlich auch zutraf. Doch im Westen und damit auch in der Schweiz hatte sich die Generation vor mir gegen die Diskriminierung gewehrt. Mir wurde bereits mit sechzehn klar, dass ich kämpfen musste, wenn ein Rollback verhindert werden sollte.
    Ich blickte aus meinem Fenster hinunter auf den Rasen und über den Pool. Der Partyservice fummelte noch nervös an der Dekoration herum, als käme die Queen persönlich. Kein Wunder, dass sich mein scheuer Freund Simon mit einer fadenscheinigen Ausrede von der Party abgemeldet hatte.
    Die britische Monarchin hatte ich einmal für wenige Sekunden zu Gesicht bekommen: Der Anlass, zu dem sie ihrem blonden Urenkel aus der Schweiz kurz die Hand gereicht hatte, war ein großes Familienbankett gewesen, zu dem auch entfernte und in Ungnade
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