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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony
Autoren: Denise Danks
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zählen.«
    »Wieso spielen sie dann nicht um Streichhölzer?«
    »Jetzt sei nicht blöd. Sie müssen was dabei verdienen; sie sind Profis.«
    »Gerade hast du gesagt, es geht nicht ums Geld.«
    Charlies Stimme war schrill vor lauter Frustration. Er kreischte mich fast an. Ich war entzückt.
    »Geht es auch nicht. Es geht um den Profit. Mein Gott. Jetzt halt mal eine Minute lang die Klappe und hör mir zu, ja? Du wirst nie ein großes Spiel zustande bringen, wenn du befürchten mußt, daß du den Biß verlierst. Du würdest nie die richtige Entscheidung treffen, sondern du würdest deine Entscheidung auf der Grundlage dessen treffen, was du dir leisten kannst, verdammt.«
    »Okay. Big Al fand den Verlust von Chips für eine Million Dollar also ein bißchen schwer zu verkraften. Das kann ich ihm nachfühlen.«
    »Er ist unberechenbar, verstehst du das nicht?«
    »Wie hast du ihn dann schlagen können?«
    »George, verflucht noch mal, vergiß das jetzt. Es ärgert ihn, daß er die Chips verloren hat, und er hat das Gesicht verloren. Die Japse hassen so was.«
    »Charlie, hat er dich bedroht?«
    »Nein. Er will die Chips wiederhaben.«
    »Du sollst sie ihm zurückgeben, einfach so? Eine Million Dollar?«
    »Er will sie zurückgewinnen.«
    »Mit anderen Worten: Dir geht es jetzt ums Geld? Du willst es nicht verlieren?«
    »Ich werde es nicht verlieren. Er ist ein Verlierer. Er will spielen, um aus der tiefen, tiefen Scheiße herauszukommen.«
    »Und du sagst, das gelingt ihm nicht.«
    »Genau.«
    »Worüber machst du dir dann Sorgen?«
    »Na, was kommt denn dann, du dusselige Kuh? Was kommt dann?«
    Ich überlegte kurz. »Eine neue Bildunterschrift, Charlie?«
    Unmittelbar nach dem Schimpfwort wurde die Leitung unterbrochen. Was kommt dann? Was tut ein Mann, dem nicht egal ist, wieviel er verliert, wenn er alles verliert? Ich nahm den Hörer ab und wählte Charlies Nummer.
    »Sorry«, sagte ich. »Was glaubst du denn, was er machen wird? Sich umbringen?«
    »Scheiß auf ihn. Was ist mit mir?«
     

  Shinichro rief als erster an. Er hatte mir gefehlt, aber ich hatte ihn nicht angerufen, um ihm zu sagen, daß ich wieder in der Stadt war. Er rief mich an. Nach Schleimbeutel-Eddie, meiner doppelzüngigen Schlange von Ehemann, meinem lieben Freund Warren Graham, der mir die Wohnung, ein bißchen Geld und Scheiße am Schuh hinterlassen hatte, und nach allen Variationen von Männlichkeit zwischendurch hatte ich keine Lust mehr, das zu bilden, was die Frauenzeitschriften vorurteilsfrei »eine Beziehung« nennen. Was mir am Zusammensein mit ihm am besten gefiel, war die fleischliche Seite. Wenn er anrief, verschmolz ich beinahe mit dem Telefon; das muß ich zugeben.
    Ich war so dicht davor, mich zu verlieben, wie schon lange nicht mehr, und es war Liebe von der netten Sorte, warm, ein bißchen schmuddelig und gerade schmerzhaft genug, um das Interesse wachzuhalten.
    Keine Frage: An jenem ersten Abend hatte ich Shinichro abgeschleppt, nicht umgekehrt. Aber ich hatte mich anständig benommen und ihn vollständig bekleidet und unbelästigt auf meinem Sofa nächtigen lassen. Er war zu verletzlich und melancholisch gewesen, als daß ich mich an ihm hätte zu schaffen machen dürfen, wie er so haltlos dahintrieb, losgelöst von den familiären Banden, die ihn in einem wahren Algengeflecht aus japanischen Manieren und Hemmungen verankert hielten. Er hatte heftig mit mir getanzt, und wenn er nicht angestrengt tanzte, trank er angestrengt, wie ein Mann mit leeren Beinen und einem leeren Herzen. Er war so betrunken, daß er willig mit in meine Wohnung kam, die so weit im Osten von London lag, wie man sich morgens um drei noch vorwagen mochte. Als ich die Haustür zugemacht hatte, drückte er mich an sich und erzählte mir, daß ich nicht sehr schön sei, daß aber meine Haut wunderbar blaß und meine Augen blauer als Kornblumen seien. Hübsche Zähne hätte ich auch, sagte er, bevor er mich küßte, mit willkommener Leidenschaft und geiler Härte an meinem Bein. Aber sonst passierte nichts. Er zog seine Hände zurück, wandte sich taumelnd ab, unglücklich und voller Unbehagen, kreiselte im Walzertakt von einem Möbelstück zum anderen und sank schließlich auf das Sofa. Er hielt sich laut stöhnend den Kopf und meinte, er schäme sich, weil er mit einer weißen Frau schlafen wolle, wie seine Kollegen es taten oder es zumindest getan zu haben behaupteten, diese aufgeblasenen Großmäuler. Sein Akzent war schrecklich, und er roch nach
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