Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieh dich nicht um

Sieh dich nicht um

Titel: Sieh dich nicht um
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
zählte, obwohl es ihm einen Grund gab, morgens überhaupt aufzustehen. Die letzten Monate hatte er nur überstanden, indem er sich mit Leib und Seele dem neuen Casino-Hotel in Atlantic City widmete. »Jetzt kann Donald Trump einpacken«, hatte Heather gesagt, als er ihr das Modell zeigte. »Warum nennst du es nicht ›Bei Heather‹, und ich trete dann exklusiv nur dort auf, Papa.«
    Seit sie im Alter von zehn Jahren in Italien gewesen war, nannte sie ihn bei diesem Kosenamen, nie mehr Daddy.
    Jimmy wußte noch genau, was er geantwortet hatte:
    »Natürlich würde ich deinen Namen am liebsten sofort in Großbuchstaben über den Eingang schreiben. Aber du solltest zuerst mit Steve sprechen. Er hat eine Menge Geld in Atlantic City investiert, und ich überlasse ihm viele Entscheidungen.
    Übrigens: Wie war's, wenn du deine Karriere an den Nagel hängs t? Warum heiratest du nicht, damit ich endlich Enkelkinder bekomme?«
    Heather hatte nur gelacht. »Ach, Papa, laß mir noch ein paar Jahre Zeit. Es macht mir so viel Spaß.«
    Seufzend erinnerte er sich an ihr Lachen. Nun würde er niemals Enkelkinder haben, dachte er. Kein kleines Mädchen mit goldenem Haar und haselnußbraunen Augen und keinen Jungen, der einmal sein Lokal übernehmen würde.
    Ein Klopfen an der Tür riß Jimmy aus seinen Gedanken.
    »Komm rein, Steve«, sagte er.
    Wie gut, daß ich Steve Abbott habe, dachte er. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte der gutaussehende blonde Cornell-Student an die Tür des Restaurants geklopft, bevor sie aufmachten. »Ich möchte bei Ihnen arbeiten, Mr. Landi«, hatte er gesagt. »Von Ihnen kann ich mehr lernen als auf dem
    -24-

    College.«
    Jimmy hatte nicht gewußt, ob er amüsiert oder verärgert sein sollte. Er hatte den jungen Mann eingehend gemustert: Ein grüner Junge und ein Besserwisser, war sein erster Eindruck gewesen. »Sie möchten für mich arbeiten?« hatte er gefragt und dann in Richtung Küche gezeigt. »Gut, ich habe dort angefangen.«
    Dieser Tag war mein Glückstag, dachte Jimmy. Er hat zwar wie ein verwöhnter Musterschüler gewirkt, doch er war ein irischer Junge, dessen Mutter sich als Kellnerin hatte durchschlagen müssen, um ihn zu ernähren. Wie sich herausstellte, hatte er genausoviel Energie wie sie. Damals hielt ich es zwar für einen schweren Fehler, daß er sein Studium abgebrochen und auf das Stipendium verzichtet hatte, aber ich habe mich geirrt. Er war für die Gastronomie geboren.
    Steve Abbott öffnete die Tür und knipste beim Hereinkommen das Licht an. »Warum sitzt du hier im Dunkeln?
    Hältst du eine Séance ab, Jimmy?«
    Mit einem wehmütigen Lächeln blickte Jimmy auf und sah den besorgten Blick seines Kompagnons. »Ich grüble.«
    »Eben ist der Bürgermeister mit vier Freunden gekommen.«
    Jimmy schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Mir hat niemand gesagt, daß er einen Tisch reserviert hat.«
    »Hat er auch nicht. Offenbar konnte der hohe Herr unseren Hot dogs nicht widerstehen…« In langen Schritten durchquerte Abbott das Zimmer und legte Landi die Hand auf die Schulter.
    »Hast wohl keinen guten Tag hinter dir.«
    »Stimmt«, antwortete Jimmy. »Heute morgen hat Isabelle angerufen und gesagt, daß eine Immobilienmaklerin wegen Heathers Wohnung da war. Die Frau denkt, daß sie sich gut verkaufen läßt. Und natürlich mußte Isabelle wie bei jedem Telephonat wieder mit der alten Geschichte anfangen. Sie kann sich einfach nicht vorstellen, daß Heather freiwillig bei Glatteis
    -25-

    mit dem Auto nach Hause gefahren is t. Sie glaubt nicht, daß ihr Tod ein Unfall war. Sie kann es einfach nicht auf sich beruhen lassen, und sie macht mich damit wahnsinnig.«
    Er starrte an Abbott vorbei ins Leere. »Ob du es glaubst oder nicht, als ich Isabelle kennenlernte, war sie eine wirkliche Schönheit. Das tollste Mädchen von Cleveland und außerdem verlobt. Ich habe ihr den Verlobungsring dieses Typen vom Finger gezogen und das Ding aus dem Autofenster geschmissen.« Er kicherte. »Ich mußte zwar einen Kredit aufnehmen, um dem anderen Typen das Geld für den Ring zu ersetzen, aber das Mädchen habe ich trotzdem bekommen.
    Isabelle hat mich geheiratet.«
    Abbott kannte diese Geschichte, und er wußte, warum sie Jimmy im Kopf herumging. »Auch wenn die Ehe nicht gehalten hat, wenigstens hast du eine Tochter wie Heather bekommen.«
    »Entschuldige, Steve. Manchmal wiederhole ich mich wie ein Tattergreis. Du weißt ja, wie es weitergegangen ist. Isabelle hat sich in New York nie wohl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher