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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
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Tagen mit den Mythen und Legenden dieser Gegend beschäftigt. Bei der Abreise hatte er ihnen ein paar der gruseligsten Geschichten erzählt. Darunter war auch die von den unheimlichen Hunden gewesen, vor denen sich die Kelten in stillen Nebelnächten gefürchtet hatten.
    »Okay«, meinte Lisa, »das reicht. Gehen wir wieder rein.«
    Gemeinsam kletterten sie ins Führerhaus der Lokomotive. Der Zugführer wirkte erleichtert, dass sie seiner Aufforderung folgten. Er sagte etwas auf Englisch, und Chris, der mit seinen Eltern im Ausland gelebt hatte und mehrere Sprachen beherrschte, übersetzte: »Er sagt, wir sind sehr leichtsinnig, und wir sollen nicht noch mal da rausgehen.«
    »Was meint er denn, wann Hilfe kommt?«, fragte Lisa.
    Chris wechselte ein paar Worte mit dem Mann, dann erklärte er: »Die Funkverbindung ist zusammengebrochen – ganz wie erwartet. Und natürlich gibt es hier auch kein Handy-Netz.«
    »Das heißt dann wohl, wir sind erst mal aufgeschmissen.«
    Lisa zog eine sorgenvolle Grimasse. »Wenn keiner weiß, dass wir hier stehen, und jetzt auch noch mehr von diesen Hunden auftauchen –«
    Nils unterbrach sie. »Ich glaube, die Hunde sind gar nicht das größte Problem. Ich denke nicht, dass sie mit den Zähnen die Eisentüren aufbekommen. Aber wenn der Nebel so dicht ist, wie er von weitem aussieht, wird uns früher oder später ein Zug hintendrauf donnern.«
    »Natürlich!«, entfuhr es Chris. Er schlug sich aufgeregt vor die Stirn. »Und die Hunde verhindern –«
    »– dass wir vorher aussteigen!«, führte Lisa den Satz für ihn zu Ende.

Das Tor zur Anderswelt
    Etwas Merkwürdiges geschah, als die Nymphen Kyra in ihre Mitte nahmen. Sie töteten sie nicht, krümmten ihr kein Haar. Stattdessen kam plötzlich ein starker Wind auf, der von allen Seiten zugleich zu kommen schien – er roch nach Algen und Tang und salziger Seeluft. Kyra war erst nicht sicher, was ihn verursachte, ehe ihr klar wurde, dass er aus den Augen der Nymphen wehte, aus ihren Mündern und den Falten ihrer magischen Gewänder. Sie war froh, dass sie in diesem Moment nicht unter der Oberfläche war und das wahre Wesen dieser Kreaturen sehen musste – es schien ihr angenehmer, von überirdisch schönen Frauen besiegt zu werden als von Bestien aus Horn und Knorpel und schwarzen Muskelsträngen. Es war nur eine Illusion, gewiss, und dennoch hatte sie etwas Beruhigendes.
    Die Nymphen kamen jetzt nicht mehr näher. Lediglich der Wind wurde stärker, strömte sternförmig auf Kyra zu und wehte von unten an ihrem Körper herauf, trieb ihr langes Haar gerade nach oben und hob schließlich sie selbst vom Boden.
    Tatsächlich – sie flog!
    Immer höher trieb der Wind sie hinauf und verursachte dabei einen solchen Luftzug in ihren Ohren, dass sie vor lauter Dröhnen und Rauschen nichts anderes mehr zu hören vermochte. Weiter und weiter schwebte sie empor, erst drei Meter über dem Boden, dann fünf, schließlich zehn, und noch immer war kein Ende ihres Aufstiegs abzusehen.
    Ich fliege, dachte sie nur immer wieder, und das Gefühl dabei war eine sonderbare Mischung aus Faszination und Todesangst. Etwas Ähnliches mussten Leute empfinden, die sich zum Spaß an Bungee-Seilen in die Tiefe stürzten – mit dem Unterschied, dass für sie der Flug nach wenigen Sekunden vorüber war, Kyras aber gerade erst begonnen hatte.
    Die Nymphen erhoben sich um sie herum, immer noch in ihrer Kreisformation. Nun, da sie das Wasser verlassen hatten, waren sie wieder komplett zu Menschen geworden. Keine Spur mehr von ihrer grausigen Verwandlung unter der Oberfläche.
    Der Aufstieg endete in einer Höhe, die Kyra auf etwa dreißig Meter schätzte. Der Lärm, das Brausen und Toben in ihren Ohren, blieb bestehen, doch etwas anderes änderte sich jetzt – sie flogen nicht mehr auf der Stelle, sondern bewegten sich landeinwärts, mit einer solchen Geschwindigkeit, dass kein Auto am Boden hätte mithalten können. Kyra fror, aber im Grunde war sie viel zu aufgeregt und verwirrt, um sich über solche Belanglosigkeiten Gedanken zu machen.
    Sie raste durch die Luft und konnte es noch immer nicht fassen.
    Genau wie die Nymphen um sie herum schwebte sie in aufrechter, gerader Haltung, so als stünden sie alle auf unsichtbaren Flugscheiben, die sie sanft und ohne Gegenwind vorwärts bewegten. Kyra erinnerte sich an Azachiel, den Gefallenen Engel, dem sie unter abenteuerlichen Umständen auf einer griechischen Insel begegnet waren. Er war damals in derselben Haltung
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