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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
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geflogen.
    Unter sich sah Kyra die nächtlichen Wiesen dahinziehen, blass in das Silberlicht des Halbmonds getaucht. Sie sah Kühe auf den Weiden schlafen, eine Schafherde, die sich unter einem einzelnen Baum zusammenscharte. Das Dorf Tintagel war längst hinter ihnen zurückgeblieben, dafür kamen andere Häuser in Sicht und verschwanden wieder. Der Anblick ähnelte dem aus einem Hubschrauber bei Höchstgeschwindigkeit, nur dass Kyra alles wie durch einen feinen Funkenregen sah. Das musste mit den magischen Kräften zu tun haben, die sich um sie herum entfalteten und ihre Wirkung taten.
    Irgendwann wurden sie langsamer. Unter ihnen wellten sich die öden Hügel einer gewaltigen Moorlandschaft. Auf flachen Graskuppen erhoben sich Felsformationen wie Fabelwesen, geformt von Wind und Wetter. Das Meer lag weit hinter ihnen, Kyra konnte es im Dunkeln nicht mehr erkennen. Wenn sie die Karte der Gegend noch richtig in Erinnerung hatte, musste dies das Bodmin Moor sein, in das sich einst Schmuggler und Riffpiraten nach ihren Raubzügen an der Küste zurückgezogen hatten.
    Langsam verloren sie an Höhe. Kyra erkannte eine verlassene Landstraße, die sich unter ihnen dahinschlängelte. Ein wenig abseits davon, hinter Hecken und einer Hügelkuppe, lag ein kleiner See, eingebettet in die triste Heidelandschaft. Aus der Entfernung war seine Größe schwer abzuschätzen. Sie vermutete, dass er an seiner breitesten Stelle nicht mehr als hundert Meter maß.
    An seinem Ufer senkten sich die sechs Nymphen ins Gras. Kyra landete sanft in ihrer Mitte. Der übernatürliche Wind brach schlagartig ab, Kyras rote Locken kamen über ihren Schultern zur Ruhe.
    »Wohin bringt ihr mich?«, richtete sie zum ersten Mal das Wort an die Nymphen.
    Sie hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, und umso überraschter war sie, als eines der Wesen mit glasklarer Stimme entgegnete: »Zu unserer Herrin, ins Land der Äpfel.«
    Land der Äpfel? Was sollte das nun wieder bedeuten?
    Die Wasseroberfläche des kleinen Sees kräuselte sich. Kyra glaubte erst, es rühre vom Wind her, der über das Bodmin Moor pfiff, doch dann erkannte sie wunderliche Spiralformen und andere Muster in den Wellen.
    Der See selbst sah vollkommen harmlos aus. Von seinem Westufer führte ein alter Weidenzaun geradewegs ins Wasser, so als verliefe die Grenze zwischen zwei Ländereien genau durch seine Mitte. Ganz in der Nähe lagen mehrere Kühe im Gras; einige hatten die Köpfe erhoben und blickten neugierig zu Kyra und den Zauberfrauen herüber.
    Das Kräuseln der Oberfläche wurde stärker, dann öffnete sich in der Mitte des Sees ein Strudel, mehrere Meter breit, wie ein rotierender Schacht, der in die Tiefe führt. Und da begriff Kyra mit unwillkürlicher Klarheit, dass es sich um ein Tor handelte. Ein Tor, durch dass die Nymphen sie in die Anderswelt bringen wollten.
    Doch so weit kam es nicht.
    Mit einem Mal ging ein unverständliches Raunen durch den Ring der Wassergeister. Alle wandten die Gesichter zum Himmel, und als Kyra ihren Blicken folgte, erkannte sie, dass etwas aus der Dunkelheit auf sie herabstieß. Erst glaubte sie, es sei ein mächtiger Raubvogel, doch als der Umriss näher kam und größer wurde, sah sie, dass es ein Mensch war. Eine schlanke Gestalt mit langen, roten Locken. Die Frau aus dem Museum.
    Sie saß auf einem langen Stab, den Kyra zuerst für einen Besen hielt. Dann aber erkannte sie, dass es sich um einen knorrigen Ast handelte, an dessen Ende ein Mistelzweig wuchs.
    »Kyra!«, rief die Frau. »Wirf dich zu Boden!«
    Kyra konnte dem Kommando gerade noch folgen, als um sie herum auch schon die Hölle losbrach. Die Frau auf dem Ast fegte im Sturzflug über den Kreis der Nymphen hinweg und schleuderte dabei eine Hand voll funkelnden Staub auf ihre Häupter. Dort, wo er die Wesen berührte, verflüssigten sich die Körper zu Wasser, das glitzernd an ihren Leibern herabströmte.
    Zwei von ihnen, auf die der größte Teil des Staubes niedergegangen war, lösten sich in Windeseile auf, bis nur noch ihre Füße und Unterschenkel im Gras standen.
    Unter den vier anderen brach einen Augenblick lang Panik aus. Eine von ihnen packte Kyra am Arm und wollte sie vom Boden reißen, doch da folgte schon die nächste Attacke der fliegenden Frau auf dem Mistelzweig. Flirrender Staub wölkte auf Kyra und ihre Entführerin herab. Wo er Kyra berührte, kribbelte ihre Haut unangenehm und juckte wie von einem Mückenstich, doch die Wirkung auf die Nymphe war ungleich
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