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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
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Moor, durch das der Bus gefahren war. Dort gab es keine Felder, nur weite, nebelverhangene Ebenen und einsame Grashügel, auf denen sich rätselhafte Felsformationen erhoben wie Finger aus Stein. In einer Gegend wie dieser war die Vergangenheit noch greifbar, die Geheimnisse der Vorzeit allgegenwärtig. Magie lag in der Luft – jeder fand das, ausnahmsweise nicht nur Kyra –, und das war einer der Gründe, weshalb sie sich hier auf Anhieb wohl fühlte. Vielleicht, so hoffte sie insgeheim, war es helle, freundliche Magie, die sie vor den Angriffen ihrer Gegner schützen würde.
    Einen solchen Schutz könnte sie diesmal besonders gebrauchen, denn, und das war der Knackpunkt der ganzen Sache, Kyra war im Moment auf sich gestellt. Nur für einen Tag, und dennoch – diesen einen Tag, bis ihre drei Freunde eintrafen, war sie allein mit ihrem Vater. Und darüber war Kyra gar nicht mal so traurig. Sie wollte die Zeit nutzen, um mit ihm unter vier Augen zu sprechen. Es gab so viele Antworten, die er ihr schuldig war – Antworten über ihre Mutter und ihren geheimnisumwitterten Tod gleich nach Kyras Geburt.
    Selbst der alte Herr Fleck, Giebelsteins verschrobener Stadtarchivar, schien mehr über ihre Mutter zu wissen als Kyra selbst. Und natürlich Tante Kassandra, bei der Kyra lebte. Alle schienen Kyra etwas vorzuenthalten. Und deshalb hatte sie den festen Vorsatz gefasst, das Alleinsein mit ihrem Vater zu nutzen, um die Wahrheit zu erfahren. Oder zumindest ein Stück davon.
    Der Bus folgte einer schmalen Straße, die sich zwischen hohen Hecken dahinschlängelte. Immer wenn ein anderes Fahrzeug entgegenkam, mussten beide stehen bleiben, während ihre Fahrer sich durch Handzeichen zu verstehen gaben, wer wen passieren ließ.
    Jetzt tauchten vor ihnen, jenseits der Wiesen und Mäuerchen, vereinzelte Häuser auf, die sich bald zu einem beschaulichen Dorf formierten.
    Kyra war am Ziel. In Tintagel.
    Einen Augenblick lang war ihr unwohl. Sie war seit einer Ewigkeit nicht mehr ohne ihre Freunde verreist. Auch wenn sie schon morgen wieder bei ihr sein würden, war es doch ein unangenehmer Gedanke, nicht unter ihresgleichen zu sein. Unter den Trägern der Sieben Siegel.
    Zwar kannte ihr Vater das Geheimnis der Freunde, doch er war eben nur ein Erwachsener, trotz aller Begeisterung, die er für das Übernatürliche und absonderliche Phänomene zeigte. Solange Kyra sich erinnern konnte, schrieb er Bücher über derartige Themen. Die meisten waren zu Bestsellern geworden und hatten ihm zu beträchtlichem Reichtum verholfen. Allerdings trugen die Bücher auch die Schuld daran, dass Kyra den Professor nur während der Ferien sah. Er hatte keinen festen Wohnsitz und reiste das ganze Jahr über um die Welt. Deshalb lebte Kyra bei ihrer Tante Kassandra.
    Lisa und Nils hatten Giebelstein erst einen Tag nach Kyra verlassen können, weil sie bei einer Feier im Erkerhof aushelfen mussten. Das düstere Hotel, das die Freunde nur Kerkerhof nannten, war seit einigen Jahren im Besitz der Familie, und es war – bei allem Widerwillen – klar, dass die beiden mit anpackten. Außerdem hatten ihre Eltern sie vor die Wahl gestellt: Entweder sie reisten mit Verspätung oder aber überhaupt nicht.
    Auch Chris hatte sich ihnen notgedrungen anschließen müssen. Er war einige Tage mit seinen Eltern fort gewesen und erst gestern wieder in Giebelstein eingetroffen. Da war Kyra bereits abgereist.
    Natürlich hätte sie auf ihre drei Freunde warten können, doch dann hätte sie wieder keine Gelegenheit gehabt, allein mit ihrem Vater zu sprechen. Das aber war nötig. Verdammt nötig, fand sie.
    Der Bus stoppte an einer kleinen Haltestelle mitten in Tintagel. Das Dorf selbst schien nur aus einer einzigen Straße zu bestehen, etwa zwei Kilometer lang, die in der Mitte eine scharfe Kurve machte und zu beiden Seiten von alten, niedrigen Häuschen flankiert wurde. Die meisten beherbergten kleine Geschäfte, die ganz und gar auf das Geschäft mit Touristen ausgerichtet waren. Ein Großteil der Reisenden, die nach Tintagel kamen, wollten die angebliche Heimat König Artus’ kennen lernen. Dementsprechend gab es allerlei Läden, die billigen Ritterkitsch zu überhöhten Preisen verkauften, Bäckereien, in denen Kuchen und Pasteten die Namen von Legendengestalten trugen, und sogar ein Hotel, das King Arthur’s Arms hieß; in seinem Hinterzimmer konnte man eine Nachbildung der Tafelrunde besichtigen.
    Trotz all des Touristennepps hatte sich Tintagel seinen urigen
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