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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
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Schiff, das in vielen Kilometern Entfernung nach Norden glitt.
    »Reden«, wiederholte der Professor ein wenig zerknirscht. »Sicher, das können wir später.« Er war ein schwerer Mann, der seine spiegelnde Glatze unter einem Schlapphut verbarg. Er trug eine Brille und einen khakifarbenen Anzug, der eher zu einer Expedition am Amazonas als zu Ausgrabungen im kühlen England passte.
    »Jetzt«, widersprach Kyra. »Bitte.«
    Sie sah ihm an, dass er ihr den Wunsch gerne erfüllt hätte. Doch schon riefen ihm einige der anderen Forscher etwas zu und winkten ihn heran. »Wirklich«, sagte er zu Kyra, »es geht jetzt nicht. Heute Abend im Cottage können wir so lange reden, wie du magst.«
    »Es ist wichtig«, sagte sie beharrlich.
    Er schüttelte den Kopf, und diesmal wirkte es endgültig. »Heute Abend, Kyra. Dann habe ich alle Zeit der Welt.«
    »Das ist unfair«, brauste Kyra auf. »Nicht mal an den paar Tagen im Jahr, die wir uns sehen, hast du Zeit für mich.«
    Ihre Worte trafen ihn, das war offensichtlich, und er schaute sie an wie ein Hund, den man gegen seinen Willen hinaus in den Regen gejagt hatte. Er wusste wohl nicht recht, was er darauf antworten sollte, deshalb zog er sie einfach erneut an sich, umarmte sie mit seinen Bärenpranken und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
    »Derek«, sagte er dann zu ihrem Fahrer, »bring meine Tochter bitte zum Cottage. Und, Kyra – gegenüber sind zwei kleine Tante-Emma-Läden, die beide Videos verleihen. Such dir ein paar aus, und schau sie dir an, bis ich nach Hause komme. Spätestens um neun bin ich da. Versprochen.«
    »Pah«, machte sie kühl, drehte sich abrupt um und stapfte davon. »Derek braucht mich nicht zu fahren. Ich finde den Weg auch zu Fuß.«
    Beide Männer schauten ihr verwirrt hinterher, machten aber keine Anstalten, ihr zu folgen. Kyra hörte noch, wie Derek auf Englisch auf den Professor einredete, aber bald schon trieb der Wind seine Worte davon, und Kyra verstand nichts mehr.
    Es dauerte eine Weile, ehe sie das Cottage fand. Zu ihrer Überraschung stand ihr Gepäck bereits vor der Tür. Derek musste sie auf einem anderen Weg mit dem Wagen überholt und den Koffer abgeliefert haben. Sie war froh, dass sie ihm nicht begegnet war. In ihrem Ärger und ihrer Enttäuschung wollte sie lieber allein sein.
    Das Cottage war ein schmales, weißes Häuschen am nördlichen Ende der Dorfstraße. Die Besitzer, ein älteres Ehepaar, wohnten gleich nebenan. Im Garten standen eine ganze Armee bunter Gartenzwerge – Pixies nannte man sie hier, die englische Variante von Heinzelmännchen.
    Das Haus war spartanisch eingerichtet. Es gab ein Wohnzimmer mit Sesseln und Sofa, einem Fernseher samt Videorekorder und natürlich – typisch englisch – einen künstlichen Kamin mit Flammen aus Plastik, die auf Knopfdruck hektisch aufflackerten. Das war so geschmacklos, dass Kyra es fast schon wieder kultig fand.
    Ihr Schlafzimmer befand sich im Obergeschoss. Erst wollte sie sich aufs Bett werfen und einfach eine Weile daliegen, doch dann kochte sie sich lieber einen Tee mit Milch und Zucker und aß dazu das süße Gebäck, das auf dem Tisch im Wohnzimmer stand.
    Auf einen Film hatte sie überhaupt keine Lust, stattdessen grübelte sie über die geheimnisvolle Begegnung im Hexenmuseum nach und fragte sich, was das alles wohl bedeuten mochte. Was war mit dieser Hexe Morgana? Und warum hatte sie es auf Kyra abgesehen? Kyra konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich eine mächtige Zauberin – angenommen sie war tatsächlich so allmächtig, wie es die Legende behauptete – einem strengen Geheimbund wie dem Arkanum unterordnete. Welchen anderen Grund sollte sie also haben, Kyra Böses zu wollen? Ging es nur darum, dass sie eine Siegelträgerin war?
    Ob es Kyra nun gefiel oder nicht, vermutlich war das tatsächlich die Antwort – immer vorausgesetzt natürlich, die Frau im Museum hatte die Wahrheit gesagt.
    Es wurde neun Uhr, dann halb zehn, und noch immer tauchte der Professor nicht auf. Um Viertel nach zehn war Kyra so wütend, dass sie alles stehen ließ und sich zu Fuß auf den Weg zur Ruine machte. Sie würde ihrem Vater erklären, dass sie gleich am nächsten Morgen wieder abreisen würde; so jedenfalls wollte sie nicht mit sich umspringen lassen. In ihrer Wut war sie geladen wie eine Hochspannungsleitung, und wehe dem, der ihr in die Quere kam.
    Es war bereits dunkel, nur über dem Meer im Westen schimmerte noch das letzte Blau des Tages. In ein paar Minuten
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