Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
wirklich interessant, da drinnen.«
    Kyra seufzte und stieg aus. »Bis dann«, verabschiedete sie sich und ging hinüber zum Eingang, während Derek davonfuhr. Zumindest ihr Gepäck hatte er mitgenommen.
    Hinter einer Glasscheibe saß eine Frau mit langem, wirrem Haar und lächelte ihr freundlich entgegen. Aus Lautsprechern erklang düstere Musik, und irgendwo in der Tiefe des Gebäudes ertönten hämisches Kichern und das Schreien von Krähen – harmloser Grusel vom Tonband. Nach all ihren Begegnungen mit echten Hexen fühlte Kyra sich angesichts dieses Mummenschanzes ein wenig veralbert.
    Sie kaufte eine Eintrittskarte und folgte einem düsteren Gang ins Innere der Ausstellung. Eigentlich musste sie nur den Geräuschen nachgehen: dem meckernden Lachen, den Katzenschreien und den finsteren Gesängen in lateinischer Sprache. Mit jedem Schritt, den sie machte, wurde die Beleuchtung um sie herum dunkler, und als sie schließlich die ersten Schaukästen erreichte, musste sie sich eingestehen, dass die Stimmung im Museum durchaus etwas Mystisches, Magisches hatte. Sicherheitshalber blickte sie sogar auf ihren rechten Unterarm. Doch die Sieben Siegel, die sie sonst vor nahendem Unheil warnten, blieben unsichtbar. Hier war sie sicher, und wenn sie sich trotz allem ein wenig unwohl fühlte, dann lag das allein an den Geisterbahneffekten des Museums, nicht an einer wirklichen Gefahr.
    Hinter Glas waren gruselige Szenen aus der Geschichte der Hexerei aufgebaut. Mit lebensgroßen Puppen hatte man einen unheimlichen Hexensabbat nachgestellt, tanzende Frauen in dunklen Gewändern, die sich um einen steinernen Thron scharten; darauf saß, bocksfüßig und mit glühenden Augen, der Teufel selbst. Kyra schmunzelte verhalten, wusste sie doch, dass die wahren Hexen des Arkanums nicht Satan, sondern die geheimnisumwitterten Drei Mütter anbeteten. Sie waren die Göttinnen des Arkanums, und selbst Abakus, der mächtigste Hexenmeister des Mittelalters, hatte sich ihnen unterordnen müssen.
    Mater Tenebrarum – die Mutter der Finsternis. Mater Lacrimarum – die Mutter der Tränen. Und Mater Suspiriorum – die Mutter der Seufzer. Sie waren die dunklen Heiligen des Arkanums. Einmal waren Kyra und ihre Freunde einer von ihnen verteufelt nahe gekommen, während ihrer letzten Reise an der Seite des Professors in die Tiefsee. Damals hatten Mater Suspiriorum und ihre Hexen sich geschlagen geben müssen. Aber weder Kyra noch einer der anderen machten sich Illusionen darüber, dass sie lediglich Glück gehabt hatten. Vor ihnen war noch kein Mensch einer der Drei Mütter begegnet und mit dem Leben davongekommen, wahrscheinlich nicht einmal Kyras Mutter. Aber so ganz genau wusste Kyra das natürlich nicht. Der Gedanke daran ließ wieder den Ärger auf ihren Vater in ihr aufsteigen. Schon eine ganze Weile hatte sie das Gefühl, dass er sich bewusst vor ihren Fragen über ihre Mutter drückte.
    Kyra schlenderte langsam an den zahlreichen Schaukästen vorüber. Es gab viele erfundene Szenen, ähnlich dem großen Hexensabbat am Eingang, gebeugte Hutzelweiber über dampfenden Kesseln mit Katern auf ihren Schultern; Hexen, die kleine Kinder in ihre windschiefen Hütten lockten, um ihnen das Mark aus den Knochen zu saugen; Zauberinnen, die fahrende Ritter in ihren Bann zogen, um ihnen den Kuss des Vergessens zu geben; und natürlich die Baba Jaga, die mächtigste Hexe Russlands, die in ihrem Haus auf baumhohen Hühnerbeinen durch tief verschneite Wälder ritt.
    Aber es gab auch andere Szenen, traurige, bewegende Bilder von unschuldigen Frauen, die während des Hexenwahns im Mittelalter auf lodernden Scheiterhaufen ihr Leben ließen.
    Durch ein Labyrinth verschlungener Gänge gelangte Kyra in den hinteren Teil des Museums. Sie wunderte sich, wie groß das Gebäude war. Von außen hatte es viel kleiner gewirkt. Es war beinahe so, als hätte sie, ohne es zu bemerken, die Tür zu einem weiteren Haus durchschritten, und dann noch eine und noch eine. Verunsichert blickte sie erneut auf ihren rechten Unterarm. Keine Siegel. Keine Bedrohung. Sie atmete auf.
    Entspann dich, redete sie sich zu. Du kannst nicht dein Leben lang herumlaufen und überall nur Gefahren wittern. So geht das, verdammt noch mal, nicht weiter!
    Plötzlich stand sie vor einer Szene, die sich von den übrigen unterschied. Der erste, offensichtliche Unterschied war der, dass es keine Glasscheibe gab, die den Besucher von den Ausstellungsstücken trennte. Auch die Musik, die bisher im ganzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher