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Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Titel: Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen
Autoren: Kai Meyer
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hier?«, schrie Nils, aber keiner gab ihm eine Antwort. Es blieb nicht die Zeit, sich über irgendetwas zu wundern. Sie mussten nur schleunigst zurück in die Scheune.
    Der Käfer stoppte abrupt, als die beiden Insassen erkannten, was auf dem Hof vorging. Tante Kassandra hieb auf die Hupe ein, um die Scheuchen von den vier Freunden abzulenken, aber die stummen Kreaturen beachteten sie nicht. Unaufhaltsam verstellten sie den Fluchtweg.
    »Lauft!«, brüllte Kyra, dann rannte sie los. Lisa war neben ihr, gefolgt von Nils. Chris wollte gerade vom Mähdrescher klettern, als er sah, wie der alte Herr Fleck aus dem Käfer kletterte.
    »Hier, fang das auf.«, rief der Archivar ihm zu und schleuderte mit aller Kraft eine kleine Holzkiste zu Chris hinüber. Wie in Zeitlupe segelte sie über die Köpfe der Scheuchen hinweg und landete sicher in Chris’ Händen. Er prellte sich die Finger an den harten Kanten, erkannte aber gleich, um was es sich handelte: Es war die Kiste mit den Pestnägeln, die Herr Fleck in seinem Archiv entdeckt hatte.
    »Was soll ich damit?«, rief Chris hilflos zum Wagen hinüber.
    Der Archivar wedelte mit einem alten Buch.
    »Hier steht drin, dass ein Nagel magische Macht hat. Aber zwei davon kehren den Prozess um. Schlagt einen zweiten Nagel in jede Scheuche, und sie sterben!«
    »Tolle Idee!«, raunzte Chris. »Und wie, bitte, sollen wir das anstellen?«
    » Chris! « , kreischte Kyra. Sie und die anderen hatten das zerstörte Scheunentor erreicht. »Beeil dich!«
    Die Vogelscheuchen hatten die Schneise fast geschlossen. Mit einem weiten Satz sprang Chris in die Tiefe und rannte gebückt und im Zickzack zwischen den Wesen hindurch. Er erreichte die Scheune im selben Moment, als die erste Vogelscheuche oben auf dem Mähdrescher auftauchte.
    Lisa hatte gehört, was Herr Fleck gerufen hatte. Sie lief voraus ins Innere der Scheune und riss die Nagelpistole von Wolfs Werkzeugwand. Normalerweise diente sie dazu, Nägel in Bretter zu schießen, um so das lästige Hämmern zu vermeiden. An einem Regler ließ sich die Größe der benutzten Nägel einstellen.
    »Vielleicht klappt’s damit«, keuchte sie, als sie zurück zu den anderen eilte.

Herr Fleck hatte die Kiste mit einem von Tante Kassandras Seidentüchern umwickelt, damit der Deckel beim Wurf nicht aufklappte. Chris streifte es beiseite und begann, die Nagelpistole mit den antiken Nägeln zu laden. Weil sie handgeschmiedet waren, passten nicht alle; nach einer Weile hatte er jedoch genug gefunden, um das Magazin zu füllen.
    »Dahinten kommen sie!«, schrie mit einem Mal Nils und wies in den hinteren Teil der Scheune.
    Tatsächlich standen dort im Schatten drei Scheuchen mit ausgebreiteten Armen. Augenscheinlich war die Rückwand unbeschädigt. Wände waren also kein Hindernis für die geisterhaften Wesen.
    »Probier’s aus«, sagte Kyra.
    Chris nickte, zielte in die Richtung der Scheuchen und betätigte den Auslöser. Mit einem dumpfen Geräusch krachte der erste Nagel in einen Balken, gleich neben einer der Vogelscheuchen.
    Der zweite Schuss traf. Im ersten Moment tat sich gar nichts. Dann aber ertönte ein hoher, schriller Laut, gefolgt von etwas, das wie das Knistern eines Feuers klang. Doch nirgends waren Flammen zu sehen. Stattdessen stürzte die Scheuche einfach in sich zusammen, bis nur noch ein Haufen Lumpen und Holzstücke den Ort markierte, an dem sie gestanden hatte.
    Die Freunde jubelten. »Es funktioniert!«, rief Kyra erleichtert, während Lisa vor Freude ihren Bruder umarmte.
    Chris legte abermals an. Dann noch mal. Die beiden Scheuchen fielen auseinander, so, als sei nie Leben in ihnen gewesen.
    »Da rauf«, sagte Kyra und sprang eine schmale Holztreppe nach oben, die in den ersten Stock der Scheune führte. Früher war dies ein Heuboden gewesen, doch jetzt war das ganze Stockwerk leer.
    Leer, bis auf einen einzigen Gegenstand.
    In der Mitte des Raumes stand ein zerstörter Spiegel. Eigentlich war es nur noch ein reich verzierter Rahmen, aus dem einzelne Spiegelspitzen ragten wie Zähne eines Urzeitmonsters. Darunter lagen auf den Holzbohlen dutzende funkelnder Scherben; sie sahen aus wie ein silbernes Puzzlespiel, das darauf wartete, zusammengesetzt zu werden.
    Es war der Spiegel aus Kyras Traum.
    Als sich die vier den Scherben vorsichtig näherten, sahen sie, dass unter der Oberfläche Formen und Lichter umherwirbelten.
    »Boralus«, flüsterte Kyra. »Er haust hinter den Scherben.«
    »Wer hat den Spiegel zerschlagen?«, fragte
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