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Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Titel: Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen
Autoren: Kai Meyer
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Nils.
    Kyra wischte sich mit dem Unterarm Schweiß von der Stirn. »Wolf. Das kann nur er gewesen sein. Als er gemerkt hat, dass Boralus Macht über ihn gewann, muss er versucht haben, ihn auf diese Weise wieder zu vertreiben. Aber da war es bereits zu spät.«
    »Dann hab ich ’ne Idee«, sagte Nils grimmig. Bevor irgendwer ihn aufhalten konnte, sprang er mit beiden Füßen mitten in den Scherbenhaufen und begann, die Überreste unter seinen Füßen zu zertreten. Dürre Lichtfinger stiegen aus dem Glas auf und versuchten, nach seinen Sohlen zu greifen, aber es gelang ihnen nicht, ihn aufzuhalten.
    Die anderen gesellten sich dazu. Das Spiegelglas war uralt und sehr zerbrechlich. Schon bald war nur noch eine Schicht aus feinkörnigem Silberstaub übrig. Das Flimmern und Flirren unter der Oberfläche war erloschen.
    Kyra atmete tief durch. »Boralus haben wir damit wohl kaum besiegt. Aber zumindest gibt es jetzt ein Tor weniger, durch das er in unsere Welt eindringen kann.«
    »Ob damit auch die Scheuchen gebannt sind?«, fragte Chris.
    Wie als Antwort auf diese Frage stand plötzlich eines der Wesen neben der Treppe. Keiner hatte gesehen, wie es dort aufgetaucht war.
    Chris legte an und feuerte. Der erste Nagel ging abermals fehl, doch der zweite schlug zielsicher in den Leinensack über dem Schädel der Kreatur. Sekunden später polterten ihre Bestandteile die Stufen hinab in die Tiefe.
    »He, Kinder!«, ertönte es von draußen. Herrn Flecks Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
    Die vier rannten zur Vorderwand des Heubodens auf eine breite Öffnung zu, durch die früher Heu hereingebracht worden war. Von hier aus hatten sie eine gute Sicht auf den gesamten Vorplatz.
    Der Archivar stand in der Mitte des Platzes, unweit des kaputten Mähdreschers. Er entdeckte sie und seufzte erleichtert. Tante Kassandra war bei ihm.
    Die Vogelscheuchen hatten sich scheinbar in Luft aufgelöst.
    »Sie sind weg!«, rief Chris erleichtert aus.
    Nils schüttelte sorgenvoll den Kopf. »Schön wär’s. Sieh mal nach unten.«
    Chris, Kyra und Lisa lehnten sich gefährlich weit vor und blickten an der Außenwand hinab auf das zertrümmerte Tor. Davor standen mehrere Scheuchen, die Gesichter ins Innere des Gebäudes gewandt.
    »Sie sind alle unten im Erdgeschoss!«, brüllte Tante Kassandra. »Neben euch … ja, genau da … ist eine Leiter. Könnt ihr daran runterklettern?«
    Tatsächlich. Rechts neben dem Schobertor war eine Leiter langgelehnt. »Die ist viel zu weit unten!«, brüllte Nils zurück. »Das schaffen wir nie!«
    Lisa schaute nach hinten und entdeckte, dass sich neben der Treppe jetzt eine ganze Versammlung von Vogelscheuchen gebildet hatte. Die Kreaturen waren nur noch wenige Meter entfernt. Mochte Chris auch noch so treffsicher sein, er würde niemals alle Scheuchen erledigen können, bevor sie einen der Freunde erreichten.
    Im gleichen Moment schwang sich Chris aus der Öffnung. Auf dem ehemaligen Türrahmen kam er zum Stehen und kletterte von da aus zur Leiter. Die anderen folgten ihm vorsichtig. Als sie unten ankamen, waren die letzten Vogelscheuchen gerade im Inneren der Scheune verschwunden.
    Hinter ihnen jaulte ein Motor auf. Tante Kassandra saß am Steuer des Käfers und fuhr einen engen Kreis um die gesamte Scheune. Herr Fleck lehnte sich dabei weit aus der offenen Beifahrertür. In seinen Händen hielt er den Ersatzkanister vom Führerstand des Mähdreschers. Er hatte den Deckel geöffnet und goss das Benzin während der Fahrt auf den Boden.
    Bald schon hatten sie die Scheune einmal umrundet. Mit quietschenden Reifen kam der Käfer neben den Freunden am Waldrand zum Stehen.
    »Passt auf!«, rief Tante Kassandra. Sie sprang aus dem Wagen und hielt in der Rechten ihr silbernes Zippo-Feuerzeug. Sie ließ eine Flamme hochschnellen, dann warf sie es aus einem Schritt Entfernung mitten in die Benzinspur.
    Mit einem höllischen Fauchen schossen rund um die Scheune Flammen empor. Innerhalb weniger Sekunden griffen sie auf die Holzwände über.
    »Sind wirklich alle da drinnen?«, fragte Kyra atemlos und schaute ihre Tante an.
    Kassandra nickte. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß. »Ihr habt sie alle hineingelockt. Das war ganz schön clever.«
    Die Freunde schauten sich verdutzt an. Gelockt? Sie?
    »Na ja«, meinte Chris. »Eigentlich sind wir nur weggelaufen.«
    Herr Fleck deutete auf die Nagelpistole in Chris’ Hand. »Das sieht mir aber ganz danach aus, als hättet ihr euch erbittert gewehrt, oder?«
    Chris
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