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Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen

Titel: Sieben Siegel 06 - Die Nacht der lebenden Scheuchen
Autoren: Kai Meyer
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Die Vogelscheuche
    »Schwarz!«, brummte Nils. »Warum muss es eigentlich immer Schwarz sein?«
    Während Nils sprach, musterte er seinen Freund Chris von oben bis unten. Chris trug wie immer schwarze Jeans und ein schwarzes Sweatshirt. Keiner seiner Freunde hatte ihn je in etwas anderem gesehen. Bunte Kleidung war ihm zuwider.
    Nils und Chris gingen nebeneinander über eine Wiese am Fuß des alten Bahndamms. Lisa und Kyra liefen ein paar Schritte hinter ihnen. Sie waren auf dem Weg vom alten Hügelgrab, ihrem geheimen Treffpunkt, nach Hause. Im Westen berührte die Sonne bereits die Wipfel der Wälder. Es würde bald dunkel sein.
    »Was stört dich denn an Schwarz?«, gab Chris zurück. Ihm war klar, dass Nils nur wieder eine Möglichkeit suchte, herumzunörgeln. Und heute war eben er, Chris, an der Reihe. Es kümmerte ihn nicht besonders. Er kannte Nils zu gut, als dass er ihm deshalb böse gewesen wäre. Und schließlich waren sie alle manchmal mies gelaunt.
    »Was mich stört? Nix stört mich«, erwiderte Nils. »Es ist nur so … so einfallslos.«
    Chris grinste. »Schwarz ist halt meine Lieblingsfarbe.«
    Hinter ihnen meldete sich Kyra zu Wort.
    »Schwarz ist überhaupt keine Farbe. Genauso wenig wie Weiß. Nicht aufgepasst im Kunstunterricht?«
    Chris und Nils blieben stehen und schauten sich zu Kyra um.
    »Klugscheißer!«, entfuhr es ihnen wie aus einem Munde. Aber sie grinsten dabei, und Kyra nahm es ihnen nicht übel.
    »Also, ich find schwarze Klamotten schick«, meinte Lisa.
    Chris schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Lisa wandte verschämt den Blick ab. Kyra und ihr Bruder Nils wussten, dass Lisa hoffnungslos in Chris verknallt war. Der Einzige, der noch immer nichts davon mitbekommen hatte, war Chris selbst. Und außer Lisa würde es ihm wohl auch niemand erzählen; Nils nicht, weil er solche Gesprächsthemen für unter seiner Würde hielt, und Kyra nicht, weil sie Chris nun mal selbst sehr nett fand – und er sie, zu Lisas argem Leidwesen.
    Nils grinste seine Schwester an und beugte sich zu ihr vor. »Du findest nicht die Klamotten schick, sondern den, der drinsteckt«, flüsterte er ihr leise ins Ohr.
    »Ich hasse Brüder«, gab Lisa giftig zurück.
    Nils’ Grinsen wurde noch breiter. »Daran, dass ich ein Junge bin, kann’s ja wohl nicht liegen, oder?«
    Lisa war kurz davor, ihm die Augen auszukratzen. Aber was hätte Chris dann von ihr gedacht? Nein, sie würde so tun, als wäre sie vollkommen erhaben über das Gerede ihres Bruders. Das würde sehr erwachsen wirken!
    Kyra räusperte sich. »Können wir jetzt weitergehen? Meine Tante will heute Abend kochen.«
    »Was gibt’s denn?«, erkundigte sich Nils mit Unschuldsmiene. »Blumenstängel mit Blattgrünsoße?«
    Tante Kassandra war überzeugte Vegetarierin. Nicht, dass Kyra etwas dagegen gehabt hätte – wären die Mahlzeiten nur ein wenig abwechslungsreicher gewesen. Kyra brauchte kein Fleisch. Aber jedes Mal, wenn sie vorschlug, ihre Tante könne doch mal Pizza mit Champignons oder etwas Ähnliches machen, stand am Ende doch nur die gleiche Gemüsepampe auf dem Tisch. Ihre Tante meinte es nicht böse: Leider war es aber eine unumstößliche Tatsache, dass Kassandra Rabenson eine grauenvolle Köchin war. Und das wusste auch sie selbst nur zu genau, deshalb wagte sie sich gar nicht erst an etwas anderes als das Altbekannte heran. Kyras Freunden war das klar, und gelegentlich zogen sie sie damit auf.
    Die vier gingen weiter, jetzt ein wenig schneller. Die Dämmerung kroch über das grüne Hügelland rund um Giebelstein, und schon erhoben sich hinter den Begrenzungshecken der Felder und Wiesen die ersten Schatten. Seit die vier Freunde Träger der magischen Sieben Siegel waren, hatten sie gelernt, sich vor der Dunkelheit in Acht zu nehmen.
    Plötzlich blieb Lisa stehen. Sie streckte die Hand aus und wies nach Osten, hinauf zur Kuppe eines nahen Hügels.
    »Guckt mal, da oben!«
    Die Blicke der anderen folgten Lisas ausgestrecktem Zeigefinger.
    »Wer ist denn das? « , flüsterte Nils.
    Über den Hügel lief ein Mann. Er war offenbar sehr aufgeregt und schien es eilig zu haben, stolperte aber immer wieder und schaute angstvoll über seine Schulter – so, als wäre ihm irgendetwas auf den Fersen. Sogar hier unten konnte man noch seinen rasselnden Atem hören.
    »Das ist doch –«, begann Kyra.
    »Der alte Kropf!«, ergänzte Lisa.
    »Kropf?«, fragte Nils. »Warum rennt der wie ein Blöder da oben rum?«
    »Da ist irgendwas passiert«, meinte
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