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Sieben Siegel 05 - Schattenengel

Sieben Siegel 05 - Schattenengel

Titel: Sieben Siegel 05 - Schattenengel
Autoren: Kai Meyer
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auch etwas, das sie allmählich davon überzeugte, dass Azachiel nicht ihr Feind war: Er hätte Lisa das Haupt längst aus der Hand reißen können. Dennoch tat er es nicht.
    Doch wer weiß, dachte Kyra, vielleicht ist das auch gar nicht nötig.
    »Ihr habt verloren, Raguel«, stieß Azachiel zischend aus. »Du und Uriel und Satanael … ihr alle seid die Unterlegenen.«
    Ein geisterhaftes Raunen ging durch die Reihe der sieben Engel. Ihre Lippen bewegten sich nicht, und doch war es, als wandere ein kaum hörbares Flüstern von einem zum anderen. Zwei von ihnen verließen ihre Plätze und glitten an die Seite ihres Anführers.
    Raguel fuhr herum und schoss einen finsteren Blick auf sein Gefolge ab. Das Flüstern verstummte abrupt.
    Dann wandte er sich wieder zu Azachiel und Lisa um. Kyra und die anderen beachtete er nicht weiter. Sein Interesse an ihnen war nicht größer als das eines Menschen an einem lästigen Insekt.
    »Du glaubst, du kannst dich jetzt sicher fühlen, nicht wahr?«, fragte er und sah dabei Azachiel an. »Du denkst, du bist uns endlich überlegen.«
    »Überlegen?« Azachiel lachte bitter. »Ich weiß nicht, ob ich das bin. Aber, wie ich es sehe, sind die Seiten zum ersten Mal ausgeglichen. Ihr habt mich gejagt, Raguel, seit dem Großen Fall habt ihr mich gejagt … vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, euch eure Freundschaft zu vergelten.«
    Raguels Mantel bauschte sich auf wie das Gefieder eines Raubvogels vor dem Sturzflug auf die Beute. »Wenn diese Sache beendet ist, wird nichts mehr an dich erinnern, Azachiel. Du wirst aufgehört haben zu existieren. Und du weißt es.«
    Wieder lächelte Azachiel. »Du bist nicht dumm genug, um das wirklich zu glauben. Einem deiner Lakaien würde ich so viel Unverstand zutrauen, aber nicht dir. Wir waren einmal Freunde, Raguel. Du kennst mich. Und du weißt genau, dass dies alles nicht so einfach ist, wie du es dir wünschst.«
    Kyra verstand nicht viel von dem, was die beiden redeten, aber das war auch gar nicht nötig. Das wenige, was sie begriff, machte ihr nur zu klar, dass sie in einen Konflikt hineingestolpert waren, der seit Anbeginn der Zeit tobte – eine Schlacht, in der kein Platz für gewöhnliche Menschen war. Einen Krieg, der die Welt eines Tages bis in ihre Grundfesten erschüttern mochte.
    Offenbar gab es drei Seiten in diesem Kampf. Die eine war jene unfassbare Macht, die alles geschaffen hatte – Gott, wenn man der Kirche Glauben schenkte. Die zweite Seite war der gefallene Engel Satanael, der sich zum Herrn der Hölle aufgeschwungen hatte. Ihm dienten Raguel und seine Kämpfer. Irgendwo zwischen diesen Gegnern aber stand die dritte Gruppe, Gefallene Engel, die jedoch nicht der Verführung des Bösen erlegen waren. Azachiel war einer von ihnen, und, wie es schien, im Augenblick der einzige, der zählte.
    Kyra trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Es ging nicht darum, die großen Zusammenhänge zu begreifen. Es wäre vermessen gewesen, das überhaupt zu versuchen. Fest stand nur, dass sie und die anderen zwischen den Fronten dieses Krieges zermalmt werden würden, wenn nicht bald etwas geschah, das sie vor diesem Schicksal bewahrte.
    Und der Schlüssel zu ihrer Rettung, vielleicht sogar der Schlüssel zum Ausgang dieses ganzen schrecklichen Krieges, befand sich im abgewetzten Rucksack ihres Vaters – der wiederum an Lisas Hand baumelte, gefährlich nah am Abgrund der Klippe.
    Azachiel hatte seinen Hohn über den einstigen Freund und heutigen Feind lange genug ausgekostet. Jetzt blickte er auf Lisa herab.
    »Wirst du mir das Haupt von Lachis geben?«, fragte er freundlich.
    Lisa lächelte zurück wie in Trance, dann nickte sie. Ihre Freunde erkannten, dass etwas mit ihr geschehen war. Sie stand da wie hypnotisiert.
    » Nein! « Raguels Gesicht war grotesk verzerrt. »Tu das nicht.«
    Azachiel musste sich sehr sicher fühlen, denn noch immer riss er Lisa den Rucksack nicht aus der Hand. Stattdessen schaute er gemeinsam mit ihr zur Klippe hinüber.
    Raguel streckte Lisa beiden Hände entgegen, beinah flehentlich. »Azachiel ist nicht, was er zu sein scheint. Wir sind es, die euch retten können. Vor ihm! «
    »Ach, Raguel«, gab Azachiel zurück, »diese Kinder sind zu klug, um auf deine Lügen hereinzufallen.«
    Aber Raguel beachtete ihn gar nicht mehr, schaute nur Lisa an. »Hier und jetzt leiste ich den Schwur, dein Leben zu retten, Mädchen. Bei Satanael und bei dem Schmerz des Großen Falls – wenn es in meiner Macht
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