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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann
Autoren: Kai Meyer
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zu. Blindwütig, erfüllt von dämonischem Zorn. Von einem einzigen Gedanken besessen – sein Opfer zu töten!
    Chris stand breitbeinig am anderen Ende des Flurs, nur einen Schritt von der Mauer aus Dornenranken entfernt. Ihm blieb keine Zeit, sich vor den Stacheln zu fürchten. Der Angriff des Hexenfischs erforderte seine ganze Aufmerksamkeit.
    Immer größer wurde das aufgerissene Maul, das durch den Flur auf ihn zuraste. Immer länger die Zähne, immer tiefer der Schlund.
    Noch drei Meter, zwei …
    Chris ließ sich fallen.
    Der Fisch war zu schnell, seine bösartige Intelligenz zu sehr vom eigenen Hass zerfressen. Wie ein silberner Blitz schoss er über Chris hinweg.
    Doch diesmal war das Hindernis, auf das er stieß, keine glatte Haustür.
    Diesmal waren es fingerlange Dornen, so hart und scharf wie Stahlklingen.
    Unfähig, seinen Flug abzubremsen, wurde der Höllenfisch von den Stacheln aufgespießt. Wie ein Luftballon zerplatzte er in einer Explosion aus silbernem Schleim, der in weitem Umkreis alles besudelte: die Zweige, die Wände – und Kyra, die gerade mit Tommy im Arm die Treppe herabstürmte.
    Nils prallte von hinten gegen sie, beide stolperten und stürzten. Tommy flog aus Kyras Armen – und wurde im letzten Moment von Chris aufgefangen, der sich eben wieder aufrappelte.
    »Wo ist Lisa?«, rief Nils alarmiert, als er wieder auf die Füße sprang.
    »Draußen«, presste Chris hervor. Tommy regte sich in seinen Armen, erkannte in ihm einen Fremden und begann, steinerweichend zu schreien.
    Kyra lief zur Haustür und öffnete sie. Lisa stand draußen auf der Fußmatte und wandte ihr den Rücken zu. Sie bewegte sich nicht.
    »Lisa?«, fragte Kyra vorsichtig und tippte gegen ihren Oberarm.
    Lisa hob eine Hand und deutete zitternd die Auffahrt hinunter zur Straße. Angespannt schauten die drei anderen über ihre Schulter.
    Zwischen den Pfosten des Tors, unten auf dem Bürgersteig, stand eine einsame Gestalt. Eine schlanke Frau in einem hautengen schwarzen Overall. Langes Haar flatterte im Wind. Sie trug hohe Plateauschuhe. Man hätte sie für ein Model halten können.
    Es war die Sängerin, die am Abend auf der Festwiese aufgetreten war.
    An ihrem Arm baumelte eine leere Tasche aus Krokodilleder.
    Sie warf den vier Freunden einen Blick voller Hass und Verachtung zu, dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und verschwand in der Nacht.

Der Fluch des Fremden
    Kyra lieferte Tommy bei Ruths Nachbarin ab. Die Frau war alles andere als erfreut, um diese Uhrzeit aus dem Schlaf gerissen zu werden. Von den Ereignissen im Nachbarhaus hatte sie nichts bemerkt, und sie beschimpfte Kyra aufs Übelste, als diese ihr kurzerhand erklärte, sie könne sich heute nicht weiter um den Kleinen kümmern.
    Kyra ließ die wetternde Frau mit dem Kind im Arm zurück und lief zurück zu ihren Freunden, die unten an der Straße auf sie warteten. Alle waren angespannt. Lisa kaute an ihren Fingernägeln.
    Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Kyras Haus.
    Der Fachwerkbau grenzte unmittelbar an das nördliche Stadttor. Im Erdgeschoss befand sich Tante Kassandras Teeladen. Der Schein einer einzelnen Straßenlaterne fiel schräg durchs Schaufenster und brach sich auf den lackierten Teedosen in den Regalen.
    Kyra führte ihre Freunde durch die schmale Toreinfahrt neben dem Geschäft auf einen winzigen Innenhof. Er war übersät mit Pflanzenkübeln und Blumenkästen. Efeu und wilder Wein rankten an den Mauern empor.
    Kyra blieb abrupt stehen.
    Die Hintertür zur Küche stand offen.
    »Jemand ist hier«, zischte Kyra und hielt die anderen zurück.
    Chris löste sich aus der Gruppe und trat vorsichtig an die offene Tür. Dahinter herrschte tiefe Dunkelheit.
    »Du stellst nicht zufällig überall den Strom ab, wo du hingehst, oder?«, flachste er, aber niemand lachte.
    »Geh nicht so nah ran«, flüsterte Lisa ihm besorgt zu.
    Chris streckte eine Hand nach dem Türrahmen aus. Er hob eine Augenbraue, als er an der Innenseite etwas ertastete.
    »Was ist da?«, fragte Kyra und eilte zu ihm.
    Chris zog die Hand zurück. Zwischen seinen Fingern hielt er ein abgebrochenes Stück Dornenranke. Eine seiner Fingerkuppen blutete leicht. »Baut deine Tante vielleicht verbotene Pflanzen in ihrer Küche an?«
    Kyra war bleich geworden. »Er ist hier.«
    »Vielleicht haben wir ihn verpasst …«, meinte Chris und fügte hinzu: »Tommy sei Dank.«
    Nils setzte sich in Bewegung und wollte zurück zur Hofeinfahrt. »Nix wie weg hier.«
    »Jemand muss nach
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