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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann
Autoren: Kai Meyer
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Durchmesser –, das sich auf unerklärliche Weise von der Oberfläche gelöst hatte und nun hinaus ins All trudelte.
    Dann kam ihm der Gedanke, es könne ein Satellit sein, der oberhalb der Erdatmosphäre seine Bahn zog und ins Blickfeld des Teleskops geraten war.
    An einem aber gab es bald keinen Zweifel mehr – das Stück Finsternis, das sich aus dem Schattenkörper des Mondmannes gelöst hatte, kam genau auf die Erde zu.
    Auf Europa.
    Auf die Sternwarte.
    Geradewegs durch das Teleskop auf den Doktor zu …
    Alles ging rasend schnell. So schnell dass Doktor Karfunkel nicht einmal die Zeit blieb, zusammenzuzucken.
    Der daumennagelgroße Fleck löste sich wie ein schwarzer Öltropfen von der Oberfläche des Monitors, schoss auf das Auge des Doktors zu und traf ihn noch im selben Sekundenbruchteil.
    Es war ein Gefühl, als wäre durch ein geöffnetes Fenster eine Woge eiskalter Polarluft genau in Karfunkels Gesicht geweht.
    Doch es war keine Polarluft.
    Die Finsternis, die jetzt seinen rechten Augapfel überzog wie ein hauchfeines Wurzelgeflecht, war eisiger als der kälteste Ort der Antarktis, kälter gar als das Weltall selbst.
    Der Doktor aber spürte schon bald nichts mehr davon. Er schaltete in aller Ruhe seine Geräte ab und beschloss, es für diese Nacht gut sein zu lassen. Zeit, nach Hause zu fahren. Zeit, endlich ins Bett zu gehen.
    Später, beim Waschen, würde er die sanfte Wölbung bemerken, die sich auf seinem Rücken zwischen den Schulterblättern abzeichnete.
    Und morgen, vielleicht übermorgen, würden ihm die winzigen Dornen auffallen, die an dieser Stelle von innen gegen die Haut zu drücken begannen.
    Er aber würde sich nichts dabei denken. Ebenso wenig wie bei der Tatsache, dass die Computer am nächsten Morgen über keinerlei Aufzeichnungen des rätselhaften Phänomens verfügen würden.
    Genau genommen, würde der Professor niemals mehr irgendetwas denken.
    Denn das tat jetzt jemand anderes für ihn. Jemand, der sich verraten fühlte, von den Hexen des Arkanums ebenso wie von der Gruppe von Jugendlichen, die ihn auf der Kuppe des Hügelgrabes in eine Falle gelockt hatten.
    Es war endlich an der Zeit, zurückzuschlagen.
    Der Mann im Mond hatte jetzt einen menschlichen Körper.
    Und er würde warten. Warten, bis die Zeit reif war. Bis der richtige Augenblick kam, aus dem Leib des Professors hervorzubrechen, mit peitschenden Dornenranken und Plänen voller Hass und Zwietracht.
    Ich bin zurück, dachte der Mann im Mond in seinem Hirn aus purem Schatten.
    Eure Welt soll sein wie die meine, eine Ödnis aus Staub und Kälte und absoluter Finsternis.
    Und dann endlich werde ich euer König sein. Euer Kaiser. Euer Gott.

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