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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann
Autoren: Kai Meyer
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irgendwer sein, der den Namen der Hexe kennt. Immerhin ist sie hier aufgetreten.«
    »Kannst ja fragen gehen«, meinte Lisa ohne große Begeisterung.
    Er nickte ernst. »Genau das werd ich auch tun.«
    Nils lief los, quer über die Wiese, auf der Hilfskräfte dabei waren, den verstreuten Müll aufzusammeln. Seine Freunde beobachteten, wie er auf einen Arbeiter einredete und von diesem an einen anderen Mann verwiesen wurde. Nils ging zu ihm hinüber. Der Mann trug einen dunklen Anzug und hatte sein Büro im Rathaus augenscheinlich nur ungern verlassen; offenbar hatte man ihm die Verantwortung für das Konzert übertragen. Die beiden sprachen kurz miteinander, dann schüttelte der Mann den Kopf und ging davon.
    Nils kehrte zu den anderen zurück. Tommy brüllte zu seiner Begrüßung wie am Spieß.
    »Dreimal dürft ihr raten, unter welchem Namen sie sich bei den Veranstaltern vorgestellt hat.«
    Die drei zuckten die Achseln. »Keine Ahnung«, meinte Chris.
    »Diana«, sagte Nils.
    Kyra lächelte schief. »Die Göttin des Mondes.«
    »Typischer Fall von Größenwahn«, bemerkte Lisa.
    Kyra seufzte und drehte den Kinderwagen um, zurück Richtung Stadt. Sie wollte schon losgehen, als Nils sagte: »Und wisst ihr, was. Keiner hat ihre Musiker gesehen.«
    »Aber sie waren oben auf der Bühne«, entgegnete Lisa. »Du und ich, wir haben sie doch gesehen.«
    »Sie standen die ganze Zeit im Schatten.«
    »Sie waren Schatten«, verbesserte Kyra ihn. Zwar war sie nicht bei dem Konzert gewesen, aber sie hatte dennoch keine Zweifel. Die Hexen des Arkanums hatten wahrscheinlich mehr Tricks auf Lager, als sie und die drei anderen sich in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten.
    Keiner wusste so recht, was er darauf hätte sagen können. Schweigend gingen sie erneut durchs Tor und spazierten mit dem Kinderwagen und seinem schreienden Passagier die Hauptstraße nordwärts.
    »Ich weiß nicht, was Tante Kassandra Ruth erzählt hat, wegen ihres Gartens und so, aber dass wir jetzt auf Tommy aufpassen müssen, ist einfach unfair.« Kyra überlegte kurz, dann fügte sie hinzu: »Wenn man’s genau nimmt, haben wir ihn schließlich gerettet.«
    Lisa zog eine Schnute. »Undank ist der Welt Lohn … wo wir doch eben bei Redewendungen waren.«
    »Unsere Lisa«, meinte Chris mit hämischem Grinsen. »Immer einen so weisen Spruch auf Lager.«
    Sie schnitt ihm eine Grimasse. »Noch nie was davon gehört, dass Frauen immer weiser sind als Männer?«
    »Dafür spielen wir besser Fußball«, erwiderte Nils.
    »Ooooh, wow! « , machten die beiden Mädchen im Chor, und auch Tommy fiel mit ein und kreischte, was das Zeug hielt.
    Ein Lastwagen donnerte über das alte Straßenpflaster an ihnen vorüber. Die scheppernden Stahlgestänge auf seinem Anhänger machten einen Höllenlärm. Sie übertönten sogar das Geschrei des kleinen Plagegeistes im Kinderwagen.
    Kyra schaute dem Laster hinterher und sah, wie er vor dem Nordtor abbremste und langsam unter dem niedrigen Bogen hindurchfuhr. Danach verschwand er in der Ferne.
    Einen Augenblick lang schien es ihr, als blitzte hoch über den Zinnen der Tortürme etwas auf, ein Abglanz des Vollmondes, schimmernd im Blau des Himmels.
    Doch falls es ein Auge gewesen war, das sie beobachtet hatte, so schloss es sich gleich darauf wieder, denn schon beim zweiten Hinsehen war der Mond verblasst und zeigte sich an diesem Tag nicht wieder.

Anderswo … ein Nachspiel
    Kaum zehn Kilometer von Giebelstein entfernt, erhob sich auf dem höchsten Hügel der Gegend eine metallische Kuppel, weiß und schimmernd wie ein riesenhafter Schneemann, dessen Kopf in der Sonne getaut war. Mehr als dreißig Meter wuchs sie über die Baumwipfel des Hügels in den Himmel empor.
    Für jemanden, der sich nicht auskannte, mochte die Kuppel aussehen wie der hintere Teil einer fliegenden Untertasse, deren Spitze sich bei einem Absturz tief ins Innere der Erde gebohrt hatte. Andere hatten das seltsame Bauwerk schon mit einem Grabmonument, einem Totenschädel oder aber – um dem Ganzen etwas Erfreuliches abzugewinnen – einem nach oben gereckten Daumen verglichen.
    Die Wahrheit war freilich viel schlichter: Die weiße Kuppel dort oben auf dem Hügel war eine Sternwarte – noch dazu eine der modernsten im ganzen Land, sogar auf dem ganzen Kontinent. Nur in Süd- und Mittelamerika, in Chile und New Mexico, gab es Sternenteleskope, die noch größere Leistungen erbrachten.
    Folglich war dem Besitzer des Gebäudes, dem ehrenwerten Doktor Julius
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