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Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus

Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus

Titel: Götterfluch 1 - Der Geraubte Papyrus
Autoren: Christian Jacq
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Prolog
    W ieder einmal hatten die Menschen einen Verrat begangen und ihr Wort gebrochen.
    Gewöhnlich war der Sonnenuntergang ein friedlicher, heiterer Augenblick. Doch an diesem Abend ging die Sonne blutrot unter, und die Gottesdienerin spürte, wie ihr das Herz schwer wurde.
    Als Herrscherin über die heilige Stadt Karnak vollzog die Priesterin die königlichen Rituale, legte den Grundstein für Bauwerke und leitete die Geschicke einer Enklave, die bei Pharao Amasis, der sich sehr für die Kultur der Griechen begeisterte, in hohem Ansehen stand. Seit Gründung der Dynastie von Sais durch König Nekao I. öffnete sich Unterägypten dem Rest der Welt und musste miterleben, wie die Sitten und Gebräuche mehr und mehr verfielen.
    Da der Gottesdienerin der Ernst der Lage bewusst war, versuchte sie, die althergebrachten Werte zu retten. Dass ihr Land noch nicht im Chaos versank, war allein der strengen Einhaltung der rituellen Regeln zu verdanken – die kleinste Nachlässigkeit in dieser Hinsicht hätte verheerende Auswirkungen. Deshalb verlangte sie auch die allergrößte Ernsthaftigkeit von ihren Ritualisten und ihren Untergebenen, die ihr, der irdischen Gemahlin des verborgenen Gottes Amon, treu ergeben waren.
    Diesem empfindlichen Gleichgewicht, das in Theben aufrechterhalten wurde, drohte die Zerstörung, weil die blutrote Sonne Gefahr ankündigte.
    Weil die Götter weder die Blindheit noch das Mittelmaß der Menschen ertragen konnten, würden sie sich mit Sicherheit bald an ihnen rächen. Die Gottesdienerin befand sich im Auge des Sturms und wollte ihm bis zum letzten Augenblick standhalten.
    Ohne irgendetwas an ihren Gewohnheiten oder der vorschriftsmäßigen Feier der Feste und Rituale zu ändern, wollte sie abwarten. Der Gewittersturm würde ihr Wesen schicken, die gegen das Unheil kämpfen und das Unglück abwehren wollten. Sollten sie sich dieser Aufgabe würdig erweisen, wollte sie ihnen den Schatz zum Geschenk machen, der in Karnak verwahrt war.
    Würden sie mit seiner Hilfe der Rache der Götter entkommen?

1
    M it einem Ruck fuhr der junge Schreiber aus dem Schlaf auf und stürzte ans Fenster.
    Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es bereits später Vormittag.
    Das hieße, dass er eines schweren Vergehens schuldig gesprochen würde, weil er mit ebenso großer wie unentschuldbarer Verspätung im Amt der Übersetzer erschien!
    Kel war sechs Monate zuvor wegen seiner außerordentlichen Begabung für fremde Sprachen angestellt worden und musste seither Tag für Tag sein Können unter Beweis stellen und den Neid einiger anderer Schreiber ertragen. Da er über diese Anstellung sehr glücklich war, beklagte er sich nie und arbeitete mit solchem Eifer und Sachverstand, dass ihn sein Vorgesetzter, ein strenger und unnachsichtiger alter Gelehrter, bereits schätzen gelernt hatte.
    Und ausgerechnet nach dem Tag, an dem er ihm ein sehr schwieriges Schriftstück anvertraut hatte, verschlief Kel!
    Jetzt spürte er auch die heftigen Kopfschmerzen, die in seinem Schädel tobten.
    Und der Albtraum, der ihn im Schlaf gequält hatte, fiel ihm wieder ein: Er hatte die Prüfung zum königlichen Schreiber nicht bestanden, weil er nicht in der Lage war, ein griechisches Schriftstück ins Ägyptische zu übersetzen und einen Verwaltungsbrief fehlerlos zu verfassen! Das Amt nahm ihm sein Ausbildungsgeld und schickte ihn in sein Heimatdorf zurück, wo ihn die Bauern verspotteten und mit den undankbarsten Arbeiten bedachten.
    Beim bloßen Gedanken an ein derartiges Unglück trat Kel der Schweiß auf die Stirn. Er wusch sich flüchtig, rasierte sich mehr schlecht als recht und zog sich hastig an.
    Wer weiß, vielleicht wurde der Albtraum ja schon bald Wirklichkeit! Ob der Vorgesetzte der Übersetzer wohl seine Entschuldigung annehmen und sich mit einem einfachen Tadel begnügen würde? Das war alles andere als sicher. Wegen seiner Vorliebe für Zucht und Ordnung hatte er bereits mehrere Mitarbeiter entlassen, weil sie ihre Arbeit seiner Meinung nach auf die leichte Schulter genommen hatten.
    Wie hatte es überhaupt so weit kommen können? Am Vorabend war er einer überraschenden Einladung zu einem Festessen gefolgt, das der Große Schatzmeister ausrichtete. Mehrere Würdenträger waren geladen, darunter auch der Mann, der die Feste zu Ehren der Göttin Neith, der Schutzherrin der Stadt Sais, veranstaltete. Er wünschte die griechische Übersetzung einiger amtlicher Schriftstücke, die an hohe Offiziere gerichtet waren, die dem
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