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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann
Autoren: Kai Meyer
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schon ungeduldig. Mit beiden Händen beschirmte er eine Kerze, damit das Licht nicht weiter als bis zum Eingang der Kammer fiel.
    »Wenn ihr wüsstet, was –«, begann er, doch Lisa fiel ihm ins Wort:
    »Wir haben euch gesehen. Vom Garten aus. Was, zum Teufel, war das für ein Kerl?«
    Kyra und Chris wechselten einen kurzen Blick.
    »Der Mann im Mond«, sagte Kyra. Ihr Gesichtsausdruck blieb todernst.
    Nils ließ sich mit dem Rücken gegen die grobe Steinwand fallen. »Der Mann –«
    »… im Mond, allerdings«, bestätigte Chris. »Klingt verrückt, ich weiß. Aber Kyra hat Recht. Er ist gleich nach der Mondfinsternis aufgetaucht.«
    Kyra schaute die Geschwister eindringlich an.
    »Habt ihr euch seitdem mal den Vollmond angeschaut? Er ist leer!«
    »Du meinst, so leer wie mein Sparbuch?«, fragte Lisa zaghaft. Sie wusste, dass Kyra und Chris niemals Unsinn reden würden, schon gar nicht in solch einer Situation. Trotzdem klang das, was sie sagten, völlig verrückt.
    »Es sind keine Schatten mehr auf dem Mond. Er ist einfach nur weiß, wie eine Billardkugel.«
    »Und ihr meint«, Nils verzog zweifelnd das Gesicht, »diese Schatten sind jetzt hier, bei uns in Giebelstein? Als echter Mann? «
    Kyra zuckte nervös die Achseln. »So sieht’s jedenfalls aus. Das ist die beste Erklärung, die wir haben.«
    Chris nickte überzeugt. »Und die einzige.«
    Lisa lief aufgeregt in der Kammer auf und ab. Der Raum war vollkommen kahl, sogar der Steinblock, auf dem man einst den Toten aufgebahrt hatte, war vor langer Zeit abtransportiert worden. »Er wird uns finden, oder?«, fragte sie, als sie endlich zur Ruhe kam und stehen blieb. »Sie finden uns immer. Diese bescheuerten Siegel –«
    »Hey«, unterbrach Kyra sie sanft und ging zu ihr. »Das hat doch keinen Zweck. Sich schon wieder darüber aufzuregen, meine ich. Wir werden die Dinger nicht los.«
    »Willst du das denn überhaupt?«, fragte Nils hinter ihrem Rücken.
    Kyra fuhr herum. Ihre Augen blitzten streitlustig. »Wie meinst du das?«
    Nils dachte offenbar gar nicht daran, klein beizugeben. »Deine Mutter hat diese Siegel ein Leben lang getragen. Du bist ihre Tochter. Manchmal hab ich das Gefühl, als würde dir das alles einen Wahnsinnsspaß machen.«
    »Spaß? Von einem Monster durch die Gegend gescheucht zu werden?« Sie verzog das Gesicht. »Ich kann mir was Angenehmeres vorstellen.«
    »Tatsächlich? Etwa babysitten?«
    »Hört auf.«, ging Chris dazwischen. Nils hatte Recht, das war Chris klar, auch wenn Kyra es nicht wahrhaben wollte. Seit sie die Siegel trugen, war Kyra ganz versessen darauf, sich mit den Kreaturen der Hölle anzulegen, egal, ob absichtlich oder unbewusst. Es war, als zwinge sie irgendeine Macht, den Taten ihrer Mutter nachzueifern.
    Aber Kyra war erst zwölf. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie nicht die geringste Ahnung von Magie und Hexerei. Sie besaß keinerlei Waffen, um den Dämonen entgegenzutreten – ganz zu schweigen von ihren drei Freunden, die mehr oder minder zufällig in diese Sache hineingeschlittert waren.
    Kyras Mutter war, bevor sie zur Seite des Guten übergelaufen war, ein Mitglied des Arkanums gewesen, einem weltweiten Geheimbund von Hexen, der schon seit dem frühen Mittelalter Unschuldige ins Verderben trieb. Auch heute war das Arkanum noch aktiv, und seit Kyra und ihre Freunde die Wiedergeburt des Hexenmeisters Abakus verhindert hatten, machte der Hexenbund Jagd auf sie. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Hexen erneut zuschlagen würden.
    »Glaubt ihr, das Arkanum steckt dahinter?«, fragte Chris in das allgemeine Schweigen hinein.
    Kyra seufzte. »Wer weiß? Hexen haben schon zur Zeit der alten Römer den Mond angebetet. Es heißt sogar, die Mondgöttin Diana sei die erste aller Hexen gewesen.«
    Lisa schaute sie verwundert an. »Woher weißt du so was?«
    »Ich hab in ein paar Büchern gestöbert, die in Tante Kassandras Bücherzimmer rumstehen. Ich glaube, sie haben früher meiner Mutter gehört.«
    »Zauberbücher?«, fragte Nils fasziniert.
    Kyra schüttelte den Kopf. »Nee, nur Sachbücher über Hexerei. Nichts Besonderes, kann man wahrscheinlich in jedem Buchladen kaufen.«
    »Und was genau stand drin?«, wollte Chris wissen.
    »Alles Mögliche. Vieles über die Hexenverfolgung im Mittelalter. Ein paar Überlieferungen über Zauberrituale. So’n Zeug eben. Das Arkanum wird übrigens kein einziges Mal erwähnt. Die Geheimhaltung scheint ganz gut zu klappen.«
    Nils zog ein langes Gesicht. »Kein Wunder,
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