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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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selben Augenblick, als sie das Streichholz an seine Kante hielt. Explosionsartig fingen die uralten Seiten Feuer. Die Jahrhunderte hatten das Papier völlig ausgetrocknet, der Staub tat ein Übriges.
    Das Buch wurde zur Bombe.
    Nils schleuderte es mit einem erschrockenen Aufschrei von sich – geradewegs zwischen die vier Dämonen.
    Wie ein Komet schlug das lodernde Buch auf den Steinboden, ein Glutball, der beim Aufprall auseinander spritzte. Die morschen Seiten zerplatzten wie Sicherheitsglas, eine Wolke aus tausend winzigen Papiersplittern. Und jeder Einzelne brannte.
    Ein Feuerregen ging auf die vier Kreaturen nieder.
    Das Kreischen wurde noch schriller. Panik brach aus. Flammen griffen auf Federn über.
    Die Dämonenbrut verlor jedes Interesse an Kyra und Nils. Die Wesen mochten flink sein, aber es fehlte ihnen an Erfahrung, um eine tödliche Gefahr früh genug zu erkennen. Jetzt war es zu spät.
    Erneut erwies sich, dass die Teufelsstörche keine Vögel waren. Unter dem Federkleid kam schwarze Schuppenhaut zum Vorschein, Körper wie Reptilien. Flammen umhüllten sie wie Elmsfeuer.
    Kyra wollte gerade ein zweites Buch anzünden, als sie sah, dass es nicht mehr nötig war.
    Die Dämonen ergriffen die Flucht. Brennend stürzten sie davon, durch den Korridor hinaus in den Weinkeller.
    Kyra und Nils sahen nicht, wie es mit ihnen zu Ende ging, und sie waren froh darüber.
    Beißender Rauch hing in der Luft. Die Aschewolke brannte in ihren Augen und nahm ihnen den Atem.
    Kyra schleuderte das unversehrte Buch zurück ins Regal. Beim Aufprall auf das Holz zerfielen die Seiten zu Staub. Feine Flusen quollen zwischen den Lederdeckeln hervor wie ein Schwarm grauer Insekten.
    »Dort entlang!«, rief Nils und stürmte schon durch die Rauchschwaden zur nächsten Gangmündung.
    Kyra folgte ihm. Nils hielt immer noch den Leuchter mit der einzelnen brennenden Kerze in der Hand. Als sie in den Korridor liefen, der tiefer in den geheimen Keller führte, hielt Kyra Nils an der Schulter zurück. Geschwind zündete sie die beiden erloschenen Dochte an. Das Atmen fiel hier ein wenig leichter, aber noch immer dämpfte Rauch das spärliche Licht der Flammen.
    »Glaubst du, sie sind tot?«, fragte Nils, als sie weiterliefen.
    »Ich wär’s, wenn ich gebrannt hätte wie die.«
    »Aber, ich meine … das waren Dämonen! «
    Kyras Züge verfinsterten sich. »Grillfleisch.«
    Nils warf ihr einen Seitenblick zu. »Nun tu doch nicht so abgebrüht.«
    Sie wusste sofort, was er meinte. Bisher hatte sie gehofft, die Sieben Siegel hätten keine Wirkung auf sie. Aber allmählich wurde ihr klar, dass auch sie selbst sich veränderte, genau wie die anderen. Nils wurde vernünftiger und hatte seine Lust am Risiko verloren. Lisa war selbstbewusster geworden und schien mit einem Mal ganz versessen zu sein auf geistige Herausforderungen wie die Hieroglyphen ihres Großvaters. Allein Chris kannte Kyra noch nicht lange genug, um Veränderungen an ihm festzustellen.
    Was jedoch sie selbst anging, so fühlte sie sich mehr und mehr dem Erbe ihrer Mutter verpflichtet. Nils hatte Recht: Sie gab sich neuerdings rau und abgebrüht, als könne ihr ein Kampf mit den Kreaturen der Hölle kaum mehr als ein Naserümpfen abringen.
    Das also war die Wandlung, die sie durchlief. Sie wurde mehr und mehr wie ihre Mutter. Oder besser: So, wie Kyra sich ihre Mutter vorstellte.
    Eine Maskerade? Vielleicht. Kyra war keine coole Hexenjägerin, die mit der Linken einen zähnefletschenden Dämon bezwang und mit der Rechten dem Teufel den Mittelfinger zeigte. Noch nicht.
    »Kyra!«
    Nils’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
    »Sieh dir das an«, sagte er mit dumpfer Stimme und hielt den Kerzenleuchter mit gestrecktem Arm nach vorne.
    Der Korridor endete an einem Treppenabsatz. Ein gutes Dutzend Stufen führte nach unten, in einen tiefer gelegenen Raum. Das ganze Ausmaß der unterirdischen Kammer – oder war es eher eine Halle? – war im schwachen Schein der Kerzen nicht auszumachen. Wohl aber entdeckten sie in der Tiefe einen gewaltigen fünfzackigen Stern, ein Pentagramm aus hellen Steinen, die fest in den Steinboden eingelassen waren. Baron Moorstein hatte sich nicht mit vergänglichen Kreidezeichnungen abgegeben – er hatte ein Laboratorium für die Ewigkeit errichten lassen, erfüllt von der Zuversicht, für sich selbst die Unsterblichkeit zu erlangen.
    In der Mitte des Pentagramms lag ein bleiches Gerippe.
    Der Schädel starrte aus schwarzen Augenhöhlen ins Leere. Der
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