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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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wurde. Eilig kletterte sie die Sprossen hinauf, eigentlich nur, um einen guten Grund zu haben, auf ihre Füße zu schauen, damit Chris ihre glühenden Wangen nicht sah.
    Auch sie erreichte die Brüstung. Ihr wurde totschlecht, als sie darüber hinweg in den Schacht blickte.
    »Du willst das wirklich tun, ja?«, fragte sie noch einmal.
    Chris lächelte.
    Oh, Mann …
     
    Die schwarze Rußwolke schloss sich um Kyra und Nils wie der Tintenschwall eines Oktopus. Die Kerzen flackerten, gingen aus.
    Die Finsternis war auf einen Schlag vollkommen. Kyra hatte plötzlich das schreckliche Gefühl, inmitten eines fremden Universums zu schweben, in dem alle Sterne erloschen waren.
    »Kyra?« Nils’ Stimme klang zittrig.
    Sie hustete, als sie einen Schwall Ruß einatmete. »Hier.«
    »Wir müssen weg von hier«, keuchte Nils.
    Aber Kyra dachte gar nicht daran. Sie war die Erbin ihrer Mutter. Die Trägerin der Sieben Siegel. Sie war …
    Etwas krachte auf den Grund des Kaminschachts.
    Sie konnten nichts sehen, aber es reichte, dass sie das wütende Kreischen des Dämons hörten.
    Er war hier.
    Bei ihnen im Keller.
    Nur ein paar Schritte entfernt.
    Eine Hand krallte sich um Kyras Schulter. Ihr Körper versteifte sich.
    »Ich bin’s«, flüsterte Nils ihr ins Ohr.
    »Hier, nimm das.« Sie drückte ihm den Kerzenleuchter und die Streichhölzer in die Hand. »Mach Licht. Schnell.«
    Er fragte nicht, warum sie es nicht selbst tat. Irgendwo neben ihr in der Finsternis hörte sie, wie ein Zündholz über die Reibfläche gezogen wurden. Dann ein Fluch. Das Hölzchen war abgebrochen. Keine Flamme. Noch immer kein Licht.
    Ein Rauschen, als etwas Großes durch die unterirdische Halle streifte. Krallen auf Stein. Heiseres Atmen, ähnlich wie das der Dämonenbrut – nur kräftiger, so, als hätte jemand die Lautstärke aufgedreht.
    »Glaubst du … glaubst du, er kann im Dunkeln sehen?«, stammelte Nils. Die Streichholzschachtel raschelte, als er den nächsten Versuch startete.
    »Keine Ahnung.« Dabei war Kyra insgeheim ziemlich sicher, dass der Dämon natürlich im Dunkeln sehen konnte. Eine Kreatur, die aus purer Finsternis geboren war, die zudem keine Pupillen besaß, solch ein Wesen war gewiss nicht auf Licht angewiesen.
    Was ein beträchtliches Problem mit sich brachte: Der Dämon wusste, wo sie waren, aber sie wussten nicht, wo er war.
    Nils riss das Zündholz über die Reibfläche. Eine Flamme flackerte auf. Fahler Lichtschein umhüllte die beiden wie der Schimmer eines Glühwürmchens.
    Etwas zuckte aus der Dunkelheit ins Licht. Geradewegs auf Nils zu. Blutrot. Spitz. Tödlich und schnell wie ein Blitzschlag.
    Der Schnabel verfehlte sein Opfer, weil Nils sich im selben Augenblick bückte, um den Kerzenleuchter vom Boden zu heben.
    Er schrie auf, als er den Schädel und den langen Hals des Dämons über sich hinwegzucken sah. Gleichzeitig ließ er sich fallen – und hatte zum zweiten Mal Glück, denn so entging er einem Hieb der Kreatur mit ihren Messerkrallen. Dabei verlor er das Streichholz, und das Licht erlosch erneut.
    Kyra rollte sich zur anderen Seite ab. Fort von Nils, fort von dem Dämon.
    Ihre Rechte hielt den Knochenschädel des Barons umklammert, riss ihn mit sich.
    »Hey!«, brüllte sie, so laut sie konnte. »Hey, sieh hierher!«
    Nils’ Schreie brachen ab. Einen Augenblick lang fürchtete Kyra das Schlimmste. Dann aber hörte sie über dem Toben des Dämons hastige Schritte, die sich in der Finsternis entfernten.
    »Hey, Miststück!«, rief sie mit überschnappender Stimme. Euphorie und Panik führten in ihrem Inneren einen erbitterten Kampf. Sie glaubte, die Adrenalinstöße, die ihren Körper aufpeitschten, ganz genau spüren zu können.
    »Nils, mach Licht!«
    Hornklingen kratzten über den Steinboden. Rasselndes Keuchen kam näher.
    » Licht, verdammt noch mal! «
    Der Dämon raste auf sie zu. Sie konnte ihn spüren, seine böse Aura beinahe atmen. Ihre Knie fühlten sich an wie Pudding.
    Ein Streichholz flammte auf. Der Schein, den es in die Dunkelheit warf, verdiente kaum die Bezeichnung Licht.
    Dennoch reichte es aus.
    Kyra sah den Dämon. Sah, wie er auf sie zuschnellte.
    »Hier!«, rief sie und hielt den Schädel des Barons wie eine Bowlingkugel, Zeige- und Mittelfinger in den leeren Augenhöhlen. »Weißt du, was das ist?«
    Der Dämon kam näher, ein Geschöpf aus Hass und Zorn und schwarzen Federn.
    Sein Schnabel klaffte auf.
    Kyra holte aus und schleuderte ihm den Schädel entgegen.
    Im fahlen Flackern
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