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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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Sein langer Hals schwankte wie eine Schlange beim Flötenspiel.
    Dann, plötzlich, fuhr die Kreatur herum. Ein zorniger Aufschrei drang aus ihrem Schnabel. Mit weiten Sprüngen raste sie über das Dach, verschwand mit einem gewaltigen Satz hinter einem Giebel.
    Chris und Lisa waren immer noch starr vor Schreck. Erst ganz langsam vermochten sie sich wieder zu rühren. Chris rappelte sich als Erster hoch, schwankte leicht, hielt aber dann sein Gleichgewicht. Mit beiden Händen half er Lisa beim Aufstehen.
    »Los, hinterher!«, rief er und nahm die Verfolgung des Dämons auf.
    » Hinterher? « Lisa blieb stehen. Sie konnte kaum glauben, was sie da hörte.
    Chris schaute sich ungeduldig um. »Willst du denn nicht wissen, wo er hinläuft?«
    »Ich bin froh, dass ich noch lebe. «
    »Darüber kannst du dich auch später freuen.«
    »Aber –«
    »Kein ›Aber‹. Lisa, bitte, wir haben es den anderen versprochen.«
    »Wir haben versprochen, ihn abzulenken. Aber er hat nicht ausgesehen, als würde er sich jetzt noch ablenken lassen. «
    Chris’ Gesichtsausdruck war entschlossen. »Dann gehe ich allein.«
    Lisa stand da und dachte nur immer wieder, dass das alles doch gar nicht wahr sein dürfe.
    Ach, verflucht noch mal …
    »Warte!«, rief sie ihm hinterher. »Ich komm ja schon.«
    Er grinste flüchtig, als sie ihn einholte. Dann halfen sie sich gegenseitig beim Erklimmen der Schräge, hinter der die Kreatur verschwunden war.
    Oben angekommen entdeckten sie in einer Vertiefung einen mächtigen Schornstein. Sein Umriss maß mindestens drei Meter im Quadrat; eine rostige Abdeckung ruhte auf vier Eisenstäben, hoch genug über der Öffnung, dass sich sogar der riesige Storch darunter hindurchzwängen und in den Schacht klettern konnte. Ein Büschel schwarzer Federn hatte sich in einer Steinfuge verfangen und bog sich im Wind.
    Der Kaminschlot war nicht besonders hoch und lag genau im Zentrum des Hoteltrakts. Vom Boden aus war er nicht zu sehen.
    »Wohin führt der?«, fragte Chris.
    Lisa runzelte die Stirn. »Keine Ahnung.«
    »In die Bibliothek?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Die liegt ganz woanders.«
    Sie schlitterten die Schräge hinunter und erreichten die Ummauerung des Kamins. Chris streckte sich auf die Zehenspitzen, konnte aber trotzdem nicht über die Brüstung ins Innere des Schachts blicken.
    Aus der Tiefe ertönte abermals das schrille Kreischen und verebbte dann allmählich. Lisa schauderte, mehr noch, als sie des Raschelns und Polterns gewahr wurde, das aus dem Schornstein empordrang. Der Schacht war zu eng, als dass der Dämon die Flügel hätte spreizen können.
    Chris machte sich daran, einmal um den Kamin herumzugehen und das Mauerwerk zu untersuchen.
    »Wonach suchst du denn?«, fragte Lisa. Ihr schwante bereits Übles.
    »Danach!«, ertönte es von der anderen Seite des Schlots.
    Widerstrebend folgte sie ihm. Sie sah sofort, was er meinte. Schlimmer noch: Sie wusste sogleich, was er vorhatte.
    Eisensprossen führten an der Mauer hinauf bis zur Brüstung – und zweifellos an der Innenseite des Schachts wieder nach unten. Tief hinab ins Haus.
    »Du willst doch nicht etwa –«
    Chris grinste breit. »Du kannst doch klettern, oder?«
    »Vor allen Dingen kann ich fallen. Ziemlich tief sogar. Ziemlich schnell. Ziemlich tödlich.«
    Chris hörte gar nicht mehr hin. Er erklomm bereits die unteren Sprossen und zerrte prüfend daran. »Die sitzen fest«, urteilte er dann fachmännisch.
    »Schön für dich«, sagte Lisa. »Vielleicht schlägst du dir dann beim Fallen an einem von den Dingern den Schädel ein, bevor du unten ankommst.«
    »Sehr komisch.«
    »Scheiße, Chris! Du willst doch nicht wirklich da runterklettern?«
    »Hast du eine bessere Idee?«
    »Dieses Biest ist da unten.«
    »Ja, genauso wie Kyra. Und dein Bruder.«
    Lisa ballte hilflos die Fäuste. Am liebsten hätte sie Chris Vernunft eingeprügelt.
    Er kam oben an und setzte sich rittlings auf die Brüstung. Vorsichtig beugte er sich nach innen und blickte in den Schacht hinab.
    »Dunkel«, sagte er dann.
    Lisa verdrehte die Augen. »Ach.«
    Wieder lächelte er auf diese unwiderstehliche Art und Weise, die Lisa fast um den Verstand brachte – im Guten wie im Schlechten. Sie konnte ihm einfach nicht böse sein, wenn er so lächelte. Und ihm erst recht keinen Wunsch abschlagen.
    »Also?«, fragte er listig, als wüsste er genau, welche Wirkung er auf Lisa hatte.
    Lieber Himmel, wusste er das etwa tatsächlich ? Sie spürte, dass sie feuerrot
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