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Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch

Titel: Sieben Siegel 02 - Der schwarze Storch
Autoren: Kai Meyer
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auf vor Schmerz, fiel zu Boden und prallte unglücklich auf ihr Steißbein. Einen Augenblick lang bekam sie keine Luft mehr, bunte Funken tanzten vor ihren Augen.
    Nils war in Windeseile bei ihr. Seine Hände schossen über ihr Gesicht hinweg und bekamen das kreischende Ding zu packen, das sich in ihr Haar gekrallt hatte.
    Kyra kannte dieses Kreischen. Kannte es genau.
    Aber die Kreatur in Nils’ Händen war so klein!
    Klein, aber mörderisch. Ein roter Schnabel, nicht länger als ein Brotmesser, hackte nach Nils’ Handrücken, schlitzte die Haut auf wie Pergamentpapier.
    Nils schrie auf. Seine Finger öffneten sich im Reflex. Die Kreatur kam frei.
    Der Kerzenleuchter war bei Kyras Sturz zu Boden gefallen. Eine Flamme brannte noch, die beiden anderen waren beim Aufprall erloschen. Das schwache Zwielicht reichte dennoch aus zu erkennen, um was es sich bei dem Wesen handelte.
    Der kleine Storchendämon reichte Nils höchstens bis zum Knie. Trotzdem war er alles andere als niedlich. Sein ganzer Körper wirkte noch unproportionierter und verschobener als der des großen Dämons. Die Beine sahen im Vergleich zu seinem schwarz gefiederten Leib länger und dünner aus, noch spinnenähnlicher. Die weißen Augen schienen zu glühen, als sie den Kerzenschein reflektierten.
    Und er war schnell. Viel flinker als die ausgewachsene Kreatur.
    Das Wesen stand in Lauerstellung inmitten des Raums und starrte Kyra und Nils an. Kyra rappelte sich gerade wieder auf die Beine, als ihr klar wurde, warum die Kreatur sie nicht schon im Gang angegriffen hatte: Sie wartete auf ihre Artgenossen.
    Im selben Moment lösten sich drei weitere Dämonen aus der Dunkelheit und gesellten sich zu ihrem Bruder.
    Das Dämonennest auf dem Dach. Vier Eier.
    Und jetzt … vier Junge.
    Aber wie, zum Teufel, waren sie hier heruntergekommen?
    Auf welchem Weg auch immer, der Riesenstorch musste sie gleich nach dem Schlüpfen hergeschickt haben. Sie waren hier, um den geheimen Keller zu schützen. Das wiederum bedeutete, dass der Dämon den Plan der vier Freunde durchschaut hatte.
    Kyra verfluchte sich selbst. Sie musste sich endlich von der Vorstellung lösen, es mit Tieren zu tun zu haben. Ihre Gegner waren intelligent. Sie konnten Pläne schmieden – und die Pläne ihrer Feinde durchkreuzen.
    Nils hatte den Kerzenleuchter vom Boden aufgehoben. Wie eine Waffe richtete er ihn gegen die Dämonenbrut. Er und Kyra gingen langsam rückwärts. Schritt um Schritt um Schritt.
    Die Kreaturen wippten unmerklich auf ihren spindeldürren Beinen, sprungbereit. Jeden Augenblick konnten sie angreifen.
    Kyra fingerte mit bebenden Fingern die Streichholzschachtel aus ihrer Hosentasche. Öffnete sie. Zog ein Hölzchen heraus.
    Noch ein Schritt nach hinten, dann spürte sie die harten Ränder des Bücherregals in ihrem Rücken.
    Eines der Wesen machte einen drohenden Satz nach vorne, bis auf einen Meter an Kyra und Nils heran. Es legte den Kopf schräg, beobachtete seine Gegner mit listiger Neugier. Das Wesen war eben erst geboren, Menschen waren ihm fremd.
    »Ein Buch!«, zischte Kyra.
    »Was?« Nils wagte nicht, sie anzusehen, starrte nur stocksteif auf die Kreatur zu seinen Füßen.
    »Ein Buch«, flüsterte Kyra noch einmal. »Irgendeines. Mach schnell!«
    Die drei übrigen Wesen staksten ebenfalls vorwärts und blieben neben ihrem Artgenossen stehen. Acht leere, weiße Augen musterten die Kinder. Messerscharfe Schnäbel klapperten auf und zu. Säuselndes Atmen ertönte, das Rascheln von schwarzem Gefieder.
    Kyra hielt in der einen Hand die Streichholzschachtel mit der Reibfläche, in der anderen das Zündholz. »Nun nimm schon eines von den verdammten Büchern!«
    Endlich verstand Nils. Ganz langsam griff er hinter seinen Rücken, zog blind eines der verstaubten Bücher aus dem Regal. Unendlich sachte streckte er es Kyra entgegen. Sie mussten vorsichtig sein, jede hastige Bewegung mochte die Dämonenbrut zum Angriff verleiten.

Die Schnabelschädel der Kreaturen legten sich schief, mal auf diese, mal auf jene Seite. Noch war ihre Neugier größer als ihre Mordlust. Aber das mochte sich jeden Augenblick ändern.
    Kyra atmete tief durch, dann hielt sie vor Anspannung die Luft an.
    Zog das Streichholz abrupt über die Reibfläche.
    Sah, wie die Flamme aufloderte.
    Ein vierstimmiges Kreischen ertönte. Einen Herzschlag lang knickten die Stelzenbeine der Kreaturen ein, holten Schwung für den Absprung.
    Alles ging viel schneller, als Kyra erwartet hatte. Das Buch entflammte im
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