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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben
Autoren: A Aschberg
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Ein
Leben als Berater

     
    Ich weiß, man begann eine Geschichte nicht mit ‘Ich’.
    Oder galt das nur für Briefe? Wo man doch heute eh kaum noch
Briefe schrieb, im Zeitalter von eMail und SMS. Simsen war mittlerweile sogar als
Verb in den Duden aufgenommen.
    Ich war stilistisch verunsichert, trotz meiner literarischen
Ambitionen, oder gerade deswegen. Was mir zeigte, dass ich dringend mehr an mir
arbeiten sollte. Schließlich war ein gelungener Einstieg in eine Geschichte die
halbe Miete.
    Aber was machte ich mir da überhaupt für Gedanken?
Schließlich war ich doch schon mitten drin in meiner Geschichte. Das hier war
lediglich der Einstieg in ein neues Kapitel. Warum sollte man das nicht mit ‚Ich’
beginnen? Wo es doch um mich ging?
    Ein besserer Anfang jedenfalls als ‘Du blöder Idiot’.
    Schon ‚ Idiot‘ war
nicht optimal. Vor allem, wenn man damit seinen Vermieter titulierte, obwohl
man gar nicht die Absicht hatte auszuziehen. Genau genommen machte schon das
Duzen keinen guten Eindruck.
    Ich sollte von vorne beginnen. Um den Tag und das neue
Kapitel meines Lebens in seiner ganzen Pracht vor dem geneigten Leser zu
entfalten, sollte ich mit dem Zeitpunkt beginnen, an dem mein Wecker klingelte.
Das war leider nicht der Zeitpunkt, an dem er hätte klingeln sollen . Da
schlief ich noch.
    Eigentlich war es auch kein Wecker, sondern ein
telefonischer Weckdienst, und als mir eine fröhliche Stimme am anderen Ende
mitteilte, es sei jetzt neun Uhr und ein ganz wunderschöner Morgen, da hatte
ich so eine Ahnung, daß das auf den Tag als Ganzes gesehen möglicherweise   nicht zutreffen würde. Ich war mit jedenfalls
sicher, dass ich dem Nachtportier gestern abend sieben Uhr gesagt hatte. Sieben Uhr und keine Minute später.
    Mir stand ein Tag bevor, wie er höchst ungewöhnlich für
einen Personalreferenten gewesen wäre. Selbst in gehobener Stellung.
    Aber ich war kein Personalreferent mehr.
    In Anbetracht der Umstände verzichtete ich auf mein
Frühstück, und reihte mich in die Schlange vor der Rezeption ein. Auschecken.
Was für ein Wort. Tat meiner Schriftstellerseele weh. Man könnte zum Beispiel
auch die Rechnung begleichen . Sagte
man aber nicht mehr. Man sagte Auschecken.
    Als ich endlich an der Reihe war, hatte der
Kreditkartenleser seinen Geist aufgegeben und Bargeld hatte ich nicht so viel
dabei. Es war immerhin ein Business Class Hotel mit Business Class Preisen. Bevor
der Wortwechsel mit der schwarz gekleideten Gottesanbeterin hinter dem Checkout-Desk
zu einer unschönen Szene ausartete, verließ ich das Hotel mit dem Hinweis, mir
die Rechnung doch bitte zuzusenden. Ich war ja in Eile.
    Die Auskunft, dass dies leider nicht möglich sei, quittierte
ich mit einem Achselzucken und bat darum, dem Nachtportier schöne Grüße von mir
auszurichten. Ich mußte wirklich los. Sollten die doch mit der Rechnung, machen
was sie wollten.
    Keine Rechnung hieß natürlich, dass ich von dem
klauenbewehrten Ungetüm hinter der Rezeption auch kein Ausfahrticket für das
Parkhaus bekommen hatte.
    Ohne Ticket war es gar nicht so einfach, meinen Mietwagen
aus der Tiefgarage herauszubekommen. Schließlich schaffte ich es, mich im
Windschatten eines VW-Busses durch die Schranke zu mogeln. Der Fahrer bemerkte mich
erst, als sich die Schranke schon wieder geschlossen hatte. Als gesetzestreuer
Bürger trat er sofort heftig in die Eisen, und zeigte mir erregt den Vogel und
andere schöne Dinge.
    Hätte ich an seiner Stelle wahrscheinlich nicht anders
gemacht. Da ich jedoch auf eine erzieherische Maßnahme vorbereitet war, rauschte
ich dem aufgebrachten Oberlehrer nicht in die Heckklappe, sondern zog mit einem eleganten Schlenker an ihm vorbei und reihte
mich samtweich in den fließenden Verkehr ein.
    Der Berufsverkehr hatte sich um diese Uhrzeit bereits
gelichtet. Wider Erwarten fand ich direkt vor dem Eingang des Bürogebäudes, in
dem ich seit über einer Stunde sehnsüchtig erwartet wurde, einen Parkplatz. Das
war ungewöhnlich. Normalerweise gab es hier überhaupt keine Parkplätze. Meine
Laune besserte sich sogleich. Als ich ausstieg, blinzelte die Sonne
titansilber-metallic über das Gebäude hinweg und die Glasfassade glitzerte wie
eine riesige Diskokugel. Alles in allem kein schlechter Morgen. Ich atmete
einmal tief durch, und war bereit, mich in die Arbeit zu stürzen.
    Ich war jetzt Berater.
    Nachdem ich einige Zeit in der Personalabteilung Berater und
Projektleiter betreut hatte, ohne die geringste Ahnung, was
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