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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben
Autoren: A Aschberg
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Richtig, er überprüft seine Strategie. Das tat ich und erkannte schnell das
Problem: Ich mußte diversifizieren!
    Meine Kernkompetenz war das Schreiben, an dieser Prämisse
wollte ich erst mal nicht rütteln. Meine Produktionsfaktoren - also im
wesentlichen ich - hatte ich im Griff, und die Kostenstruktur konnte man
getrost als vorbildlich bezeichnen. Ich sah zu, dass ich mit einer warmen
Mahlzeit am Tag auskam und auch ansonsten leistete ich mir wenig Overhead. Aber
an meiner Marktstrategie mußte ich arbeiten. Meine Produktpalette umfaßte im
wesentlichen Auftragsarbeiten für Zeitungen und Zeitschriften, sowie
unbeauftragte Arbeiten an eigenen Geschichten, die einfach nicht ihren Weg zu
einem Verleger finden wollten. Warum nicht das eigene Spektrum verbreitern und
sich neue Märkte erschließen?
    Bei besagtem Maschinenbauer hatte ich jemanden
kennengelernt, der mir vielleicht weiterhelfen konnte. Wenige Wochen später
ging tatsächlich mein erstes Werk in Druck und die Miete für den nächsten Monat
war gesichert. Gut, vielleicht hätte ich mir für meine erste Veröffentlichung
ein bißchen mehr künstlerische Freiheit erhofft, aber deutsche Maschinenbauer
sind da recht konservativ. Vor allem, wenn es um die Gebrauchsanweisungen für
ihre Geräte geht.
    Ermuntert von diesem Erfolg weitete ich meine
Diversifikationsstrategie aus.
    Beipackzettel für die Pharmaindustrie waren der logisch
nächste Schritt, ein durchaus anspruchsvolles Sachgebiet. Dann entdeckte ich
das Protokollschreiben für mich. Am Landgericht sprang ich regelmäßig ein, wenn
einer der wenigen Gerichtsschreiber, die es nach der letzten Kürzungsrunde im
öffentlichen Dienst noch nicht erwischt hatte, einmal gesundheitsbedingt
ausfiel. Auch der Protokollführer im Wiesbadener Landtag war ganz dankbar, wenn
er mich ab und an als Aushilfskraft engagieren konnte.
    Mit dererlei Referenzen im Gepäck öffneten sich mir Schritt
für Schritt auch die Türen in die Privatwirtschaft, wo der Sparzwang
glücklicherweise noch stärker auf den   Unternehmen lastete. Selbst Direktoren und
Vorstände hatten schmerzhafte Opfer zu bringen. Natürlich war Opfer bringen eine andere Liga, als Opfer zu sein , aber es traf manchen Manager doch
bis ins Mark, dem Rotstift zuliebe statt persönlicher Assistentin plötzlich nur
noch auf einen Sekretariats-Pool zugreifen zu können. Um diese Amputation halbwegs
zu verschmerzen, wurden zu besonderen Anlässen Freelancer von außen angeheuert.
Zum Beispiel, um in einer wichtigen Sitzung mit einem eigenen Assistenten der
Selbstinszenierung den letzten Schliff und dem Leitwolf den notwendigen Respekt
vor der Meute zu verschaffen. Es waren die kleinen Dinge, die über die Karriere
eines Top-Managers entscheiden konnten. Weniger die Güte der Arbeit und erst
recht nicht der Zielerreichungsgrad, wie viele irrtümlich meinten.
    Meine künstlerische Entwicklung profitierte zugegebenermaßen
nicht in gleicher Weise von meinen Engagements wie mein Portemonnaie. Es konnte
eben nicht jeder ein Oscar Wilde sein und mit komödiantischen Auftragsarbeiten
einen amourösen Lebensstil finanzieren. Ich mußte eher   aufpassen, weder meine
literarischen noch meine amourösen Ambitionen zu sehr zu vernachlässigen. Das
galt auch für das klassische Handwerkszeug des Schreiberlings. Beim Thema Einleitung   zum Beispiel hatte ich noch Verbesserungspotential.
Ich sollte versuchen, in Zukunft kompakter zu werden und den Hauptstrang meiner
Geschichte nicht gleich zu Beginn aus den Augen zu verlieren.
    Ich stand also an der Rezeption dieses Landgasthofs mitten
im schönen Taunus und ließ mir von der umwerfenden Empfangsdame den Weg zum Konferenzraum
Bad Vilbel weisen. Mit einem strahlenden Lächeln, aber ausgeprägtem hessischen
Akzent, der mir tinnitusartig in den Ohren klingelte. Ich hätte sie trotzdem
liebend gerne noch irgend etwas gefragt, zum Beispiel wann sie denn mal Pause
hätte und ob ich sie auf einen Kaffee einladen dürfte, wenn ich mich so etwas
getraut hätte.
    Tat ich aber nicht, und so marschierte ich nach Bad Vilbel.
Es war ein großer Raum und ich wurde bereits erwartet. Ein korrekt gekleideter
Mittvierziger trat aus einer ganzen Truppe korrekter Mittvierziger auf mich zu.
    "Mein Name ist Dr. Bundschuh", begrüßte er mich.
Stahlgrauer Anzug, silbergraue Krawatte, blaugraues Hemd und blaugraue Augen
hinter einer randlosen Brille. Selbst der Händedruck von Dr. Bundschuh strahlte
kühle Effizienz aus.
    Ich
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