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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben
Autoren: A Aschberg
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beiläufigen Plauderton ihre
Anspannung zu überspielen. Hier und da ein erzwungenes Lachen, eine Spur zu
laut und aufgesetzt. Egal wieviele Tests man in seinem Leben bereits hinter
sich hatte, die Nervosität, wie man abgeschnitten hatte, ließ sich nie völlig
abschütteln. Die Unterhaltungen addierten sich zu einem geschäftigen
Murmelteppich, der durch den gesamten Raum waberte. Darüber spürbar ein Hauch
von Spannung. Darüber ein Hauch von
Achselschweiß.
      Ich ging zu Bundschuh
und erkundigte mich, ob er mich bei den Einzelgesprächen dabeihaben wollte. Das
war immer ein heikler Punkt. Nicht jede Firma wollte diesen Teil des
Assessments schwarz auf weiß dokumentiert haben.
    "Wir wollen erst die Fragebögen fertig auswerten",
sagte Bundschuh. "Aber dann hätten wir Sie gerne bei einem Gespräch mit
dabei".
    "Möchten Sie auch gleich meine Aufzeichnungen
haben?", fragte ich.
    "Ihre Aufzeichnungen?" Bundschuh erschien ehrlich
verblüfft. Er hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass er das Material
so schnell von mir bekommen würde. Abgabe war eigentlich erst morgen. Aber
Bundschuh hatte sich schon wieder gefangen. Er neigte ja nicht zu übertriebener
Emotionalität.
    "Sehr gerne."
    Von der Tür her winkte ein anderer Aufpasser einen
Kandidaten zu sich. Die beiden verschwanden in Richtung der kleinen Räume, in
denen mit den aussichtsreichen Kandidaten jetzt Einzelgespräche geführt wurden.
    Es schien mehrere von diesen Einzelräumen zu geben, denn
schon wieder erschien ein Grauträger in der Tür und winkte. Es war Spock.
    Ich hätte schwören können, dass er direkt in meine Richtung
schaute. Tat er auch. Ich sah Bundschuh fragend an, der noch in meiner Nähe
weilte.
    "Sie sind dran", sagte Bundschuh. „Ich begleite
Sie.“ Wir marschierten den Gang hinunter zu Raum Kronberg.
    Keine Frage, Kronberg war ein anderes Kaliber als Bad
Vilbel. Hier roch es nach Einfluß und Entscheidung. Der Kaffeeduft, der dem goldgeränderten
Porzellan-Service entströmte, war frei von olfaktorischen Mißtönen jedweder
Art. Er hatte den herb-frischen Unterton fruchtbarer Erde. In der Mitte des
Raumes stand ein auf Hochglanz poliertes Mahagoni-Konferenztischchen mit sanft
geschwungenen Holzbeinen. Nicht die zusammenklappbare Stelltisch-Massenware aus
Bad Vilbel. Die Botschaft war klar: Wer es über Bad Vilbel bis Kronberg
geschafft hatte, spielte ab sofort in einer anderen Liga. Die vier bequem
gepolsterten Ledersessel rundeten diesen Eindruck dezent ab mit einer
geruchlichen Note ins Gediegene.
    Aus einem der Sessel erhob sich ein Mann, schüttelte mir
schwungvoll die Hand und bedeutete mir Platz zu nehmen. Bundschuh und Spock
warteten respektvoll bis wir beide Platz genommen hatten, um sich dann
vorsichtig auf der Vorderkante der verbleibenden Sitzgelegenheiten
niederzulassen. Ohne ein weiteres Wort hatte mir diese kurze Begrüßungssequenz
gezeigt, wer hier das Sagen hatte.
    Für meinen neuen Gegenüber schien auch die Kleiderordnung
nicht zu gelten. Jedenfalls trug er anstatt Einheitsgrau eine Maßkonfektion in
erdigen Brauntönen. Elegant aber nicht aufdringlich, passend zur Jahreszeit, zu
seinem hellen Hauttyp und den mittelblonden Haaren.
    „Mein Name ist Müller, begann er das Gespräch. „Sie haben da
eine prima Vorstellung hingelegt“.
    „Freut mich“, sagte ich vorsichtig. Mir war noch nicht klar,
worauf Müller hinauswollte. Hatte ich einen so bleibenden Eindruck
hinterlassen, dass man mir weitere Aufträge anbieten wollte? Gefreut hätte es
mich, aber Müller schien mir nicht die Liga zu sein, die mit Schreibkräften
verhandelte.
    „Was halten Sie davon, wenn wir Ihnen einen Job anbieten?“,
fragte Müller. Konnte der Mann Gedanken lesen? Bei Bundschuh zuckte es kurz um
die Mundwinkel, während Spock sich hektisch in eine Liste vertiefte, die er aus
einer Arbeitsmappe zutage förderte. Beide schienen nicht richtig eingeweiht in
das, was Müller vorhatte.
    „Ich bin immer an neuen Aufträgen interessiert“, sagte ich.
    „Was ist Ihre größte Stärke?“, wollte Müller wissen.
    War ich jetzt plötzlich Bestandteil des Assessments? Aber
gut, das war eine Standardfrage, und ich hatte in den letzten neun Monaten, in
denen ich mir meine Brötchen selbst verdienen mußte, damit umzugehen gelernt.
    „Also, ich denke, ich habe eine schnelle Auffassungsgabe.
Kann Zusammenhänge schnell erkennen und gut formulieren. Bin flexibel und
habe…“
    „Nein, nein,“ unterbrach mich Müller. „Das meine ich
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