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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben
Autoren: A Aschberg
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erwiderte den Händedruck und verzog keine Miene, aber
dass dieser Mann Bundschuh hieß, fand ich einfach großartig. Ich
speicherte mir den Namen, um ihn später in einer meiner Geschichten zu
verwerten. Es gab Details, die sich ein angehender Autor nicht entgehen lassen
durfte, ob er nun gerade praktizierte oder nicht.
    "Wir haben da hinten einen Arbeitsplatz für Sie
vorbereitet. Ich nehme an, Sie sind mit dem Ablauf vertraut?" Bundschuh
sah mich forschend an.
    Ich gab mit einem Nicken zu verstehen, dass mir im Grunde
alles klar war, auch wenn es am Telefon geheißen hatte, dass mir die
Einzelheiten zu meiner Aufgabe vor Ort mitgeteilt würden. Das brachte mir einen
Pluspunkt bei meinem Gegenüber ein, der offensichtlich kein Freund großer Worte
war. Um seine Mundwinkel deutete sich ein Lächeln an, das es allerdings kaum
bis zu den Wangen, geschweige denn zu den Augen schaffte. Ich hatte einmal
gelesen, dass wir über zwanzig Muskelgruppen trainieren, wenn wir lächeln,
wodurch der Vorgang auch physiotherapeutisch wertvoll wurde. Es schien auch mit
wesentlich weniger Aufwand zu gehen.
    Dr. Bundschuh wandte sich ab und überließ mich meinem
Schicksal.
    Der Raum roch nach Seminar. Eine unverkennbare Mischung aus
Kaffee, Edding-Schreibern und Schweiß. Jetzt am Morgen dominierten Edding und Kaffee.
Am Nachmittag würde sich der Schweißgeruch unaufhaltsam in den Vordergrund
schieben. Gerade bei einem Assessment.
    Mein Job war es heute, ein Management-Assessment zu
protokollieren. Eine große Frankfurter Bank hatte zwölf vielversprechende
Führungskräfte der mittleren Ebene eingeladen, um aus diesem Kreis eine vakante
Führungsposition neu zu besetzen.
    Vor neun Monaten - zu Beginn meiner
Diversifikationsstrategie - war mein Erfahrungsschatz ziemlich dünn gewesen,
was die Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft anging. Aber seitdem
war ich mit einer ganzen Reihe von Assessments schwanger gegangen. Inzwischen
kannte ich mich aus.
    Das Grundprinzip war einfach: Die Kandidaten wurden einen
Tag lang an einen abgeschiedenen Ort gelockt und dort so lange mit mehr oder
weniger sinnvollen Aufgaben bombardiert, bis sich nach Ansicht der
allgegenwärtigen Beobachter die Spreu vom Weizen getrennt hatte. Die
Veranstalter legten großen Wert auf eine saubere Dokumentation. Wie agierten
die Bewerber im Rahmen der Gruppenübungen? Wie gingen sie an ihre
Einzelaufgaben heran? Welche Akzente setzten sie in den Diskussionsrunden?
Dabei ging es nicht darum, mit Hilfe der Dokumentation einen objektiven
Gewinner des Beauty Contests zu ermitteln. Diese Entscheidung war eine subtile
Mischung aus erstem Eindruck, aktueller Stimmung und Bauchgefühl, sowie eine
Frage der Vorgeschichte und wer wen wie gut kannte. Nein, es ging darum, für
die Gespräche mit den unterlegenen Bewerbern später argumentativ gut gerüstet zu sein.
    Ich schlenderte zu meinem Platz. Keiner schien sich für mich
zu interessieren, und so warf ich schon mal einen Blick auf den Laptop, der
mich an meinem Arbeitsplatz erwartete. Vielleicht konnte ich dort etwas über
den Ablauf des heutigen Tages in Erfahrung bringen. Das Mail-Programm war
geöffnet und im Eingangskorb blinkten sechzig ungelesene Nachrichten.
Wahrscheinlich das komplette Infopaket mit allen Übungsaufgaben für die
Teilnehmer. Ich interessierte mich zunächst mal nur für die Agenda. Um Zeit zu
sparen, verschob ich alles, was offensichtlich nichts mit Agenda zu tun hatte,
in den Papierkorb. Übrig blieben drei Mails, die ich kurz öffnen mußte. Bingo,
da war auch schon meine Agenda. Na also!
    Hinter mir räusperte sich jemand. Ich drehte mich um. Hinter
mir stand ein Mann, dessen grauer Aufzug ihn untrügerisch als Kollegen von Dr.
Bundschuh auswies. Im Gegensatz zu Bundschuh war dieser hier allerdings fast
einen Kopf größer, hager und hatte so spitze Ohren, wie man sie sonst nur von
Vulkaniern kennt.
    Egal, ich grüßte freundlich. Diese Leute bezahlten
schließlich mein Honorar, da konnten sie sich gerne von hinten anschleichen,
wenn sie es für richtig hielten.
    "Sie kommen zurecht?", wollte Spock wissen und
registrierte mit hochgezogener Augenbraue, was ich mit seinen Mails gemacht
hatte.
    "Sicher", sagte ich. "Von mir aus kann es
losgehen". Forsches Auftreten konnte nicht schaden. Gerade von einem
namenlosen Schreiberling wie mir. Nach meiner Erfahrung prägte sich so etwas
ein, und wenn man im Laufe des Tages keinen Bock schoß, standen die Chancen für
einen Folgeauftrag
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