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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben
Autoren: A Aschberg
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und den Kollegen erläuterte, um
sich zu profilieren. Ich hatte etwas zum Protokollieren, schnappte mir mein
Notebook und haute ohne weiteren Kommentar in die Tasten.
    Bundschuh schaute zu mir rüber. Mit einer tiefen Stirnfalte
in seinem makellos nichtssagendem Gesicht. Vielleicht hätte ich mich nicht in
die Gruppenarbeit einmischen dürfen? Aber dieses unsägliche Hin und Her hatte
mich geradezu fertig gemacht. Unter meinen zukünftigen literarischen Figuren
würde sicher kein Hamlett anzutreffen sein. Nicht nur, weil seinesgleichen für
Normalsterbliche eine Nummer zu groß war, sondern auch, weil mich diese
Wankelmütigkeit schier in den Wahnsinn treiben würde. Man leidet schließlich
mit seinen Charakteren mit.
    Als nächstes stand ein Fragebogen auf dem Programm. Da gab
es für mich nicht viel zu tun, die Probanden protokollierten sich quasi selbst.
Trotzdem hatte man auch mir einen Bogen in die Hand gedrückt. Es begann mit
Multiple Choice. Obwohl Schreiben mein Hobby war, liebte ich Multiple Choice.
Waren nicht eine Reihe von identischen Kreuzen, die sich einzig über ihre
Positionierung auf dem Papier sinngebend voneinander differenzierten, die Krone
minimalistischer Prosa?
    Gut, das war etwas dick aufgetragen. In Wahrheit war es eher
so, dass mich Multiple Choice immer an "Wer wird Millionär" erinnerte. Und wer wollte nicht gerne Millionär werden?
    Jedenfalls, ehe ich mich versah, hatte ich bereits alle
Kästchen ausgefüllt. Da konnte ich die Fallstudie, die sich anschloß, auch noch
schnell machen. Natürlich hieß sie nicht Fallstudie sondern Business
Case . Es wurde tatsächlich eine ganze Seite Text als Antwort erwartet.
Quasi Gattungswechsel zur epischen Form. Wenn die Gruppenarbeit irgendein
Maßstab war, konnte das für die Kollegen eine zähe Angelegenheit werden.
Andererseits - im Modus Jeder gegen Jeder waren sie sicher nicht zu
unterschätzen. Verschleppungstaktik brachte ja jetzt nichts mehr; die Konkurrenz
war nur noch über den Umweg eigner brillanter Ideen auf die Plätze zu verweisen.
Kein Wunder, dass die Kandidaten alle fleißig am Schreiben waren. Sommersprosse
verlangte sogar   ein zusätzliches Blatt
Papier. Dieses abwegige Ansinnen wurde ihm natürlich verwehrt. Es wurde
schließlich ein neuer Manager gesucht, kein neuer Thomas Mann. Der Arme ließ
wirklich keinen Fettnapf aus.
    Was mich betraf, so kapierte ich die Aufgabenstellung nicht
und schrieb das auch hin. Schade. Ich hatte gedacht, hier mal meine
stilistischen Stärken ausspielen zu können. Nur so für mich natürlich. Aber ich
hatte die letzten paar Jahre nicht im mittleren Management einer Großbank
zugebracht, und genau diese Erfahrung schien man zu brauchen, um überhaupt die
Aufgabe verstehen zu können. Von der richtigen Antwort ganz zu schweigen.
    Ich legte also den Bogen unverrichteter Dinge wieder
beiseite. Er ging mich ja eigentlich auch nichts an - ich war schließlich kein
Teilnehmer. Statt dessen brachte ich meine bisherigen Mitschriebe in Reinform.
Warum unnötig Zeit verschenken?
    Als nächstes sah die Agenda eine Mittagspause vor,
allerdings ohne Pause. Der Streßfaktor bei den Teilnehmern sollte hochgehalten
werden, deshalb wurden sie in der ‚Pause‘ systematisch mit Small Talk
überzogen. Ich sah keinen Grund, warum ich mich an dieser Stelle mit den
anderen Delinquenten solidarisch zeigen sollte und ging kurz rüber in die
Stube, um ein Paar Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat zu verdrücken. Ganz
nebenbei hoffte ich, bei dieser Gelegenheit vielleicht noch einen Blick auf die
sympathische Empfangsmaus zu erhaschen, wobei sympathisch mein unbeholfener Euphemismus für supersexy war. Leider war die Rezeption gerade verwaist. Dann also
Kartoffelsalat. Das ist eine Wissenschaft für sich und wird in jeder Region
anders gehandhabt. Die Schwaben machen ihn mit Fleischbrühe und Essig an,
während die Thüringer auf Ei und Mayonnaise in ihrem Kartoffelsalat schwören.
Die Hessen wiederum greifen gerne zu Schinkenspeck und Gewürzgurke. Dieser hier
war warmer hessischer Kartoffelsalat vom Feinsten, eine Spezialität der Region,
die meinem Gaumen große Freude bereitete.
    Als ich zurückkam, waren die Fragebögen verschwunden. Die
Gruppe hatte die Small Talk Übung anscheinend überstanden und sich im Raum
verteilt. Ein paar Kandidaten blickten versonnen aus den Fenstern, wo eine
verschwenderische Nachmittagssonne die Kieswege golden funkeln ließ, andere
standen abwartend beieinander, darum bemüht, im
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