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Sieben

Sieben

Titel: Sieben
Autoren: Mark Frost
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ihm erschreckend vertraut; er war mit dem identisch, den er einst - vor nicht allzulanger Zeit, und doch Welten her - in seiner Wohnung erhalten hatte: eine cremefarbene Hülle. Die Worte stammten ebenfalls von femininer Hand, doch diesmal nicht in Druckbuchstaben, sondern in makelloser, flüssiger Schreibschrift, aber unmißverständlich von der gleichen Person verfaßt.
    LIEBSTER ARTHUR,
    wenn Du diesen Brief erhältst, werde ich England verlassen haben. Ich hoffe, Du kannst mir eines Tages aus vollstem Herzen verzeihen, daß ich vor meinem Fortgehen nicht mit Dir gesprochen habe, wie auch jetzt, bevor ich abreise. Als wir uns kennenlernten, waren mein Herz und meine ganze Seele so gebrochen und die Umstände danach so extrem, daß ich nie einen Moment erlebte, der mich entweder mit der Zeit oder mit dem Luxus versehen hätte, trauern zu können. Diese Zeit ist nun gekommen.

Ich habe Dir nie ausführlich von ihm erzählt und werde es auch jetzt nicht tun, außer daß ich sage, daß ich in ihn verliebt war. Wir wollten im Frühjahr heiraten. Ich bezweifle sehr, daß ich je wieder einen Mann so lieben kann. Vielleicht wird die Zeit dies ändern, aber es ist noch viel zu früh, um das mit Bestimmtheit zu wissen.

Ich weiß, keiner von uns, der diese Tage und Nächte durchlebt hat, wird das Leben je wieder mit den gleichen blinden und flüchtigen Augen sehen, mit denen die meisten in die Welt hinausschauen. Vielleicht haben wir zuviel gesehen. Ich weiß nur, daß Deine Güte, Dein Anstand, Deine Zärtlichkeit mir gegenüber und Deine Courage ein Leuchtfeuer sind, das mich durch das geleiten wird, was von dieser dunklen Passage übriggeblieben ist.

Bitte, sei versichert, mein Lieber, daß Du für immer in meinen Gedanken sein wirst, daß Du auf ewig meine Liebe hast, wohin die Gezeiten Dich auch treiben werden. Sei stark, Arthur, mein Liebling. Aber in meinem Herzen weiß ich es längst und glaube fest daran, daß Dein Licht, auch wenn unsere Fußabdrücke im Sand bereits fortgespült sein werden, noch lange zum Nutzen dieser Welt brennen wird.

Ich liebe Dich.
    DEINE EILEEN
    Er las den Brief dreimal, versuchte Trost in ihren Worten zu finden. Er wußte durchaus, daß er ihm angeboten wurde. Vielleicht würde er ihn sogar an irgendeinem fernen, sonnenbeschienenen Morgen finden. Aber nicht heute. Er steckte den Brief in den Umschlag zurück und schob ihn vorsichtig zwischen die Seiten eines Buches.
    Wo ich ihn, dachte er mit verblüffender Hellsichtigkeit, durch irgendeinen Zufall in vielen, vielen Jahren wiederfinden werde. Und dank der zuverlässigen Erosion der Zeit werde ich nicht mehr in der Lage sein, mich mit verläßlicher Präzision an den feinen und doch heftigen Schmerz dieses schrecklichen Augenblicks zu erinnern.
    Doyle packte seine Sachen zusammen - sie füllten nun zwei Reisetaschen, er begann wieder ganz von vorn - und nahm am gleichen Nachmittag den Zug nach Bristol.
    Und so vergingen zwei Monate: Er fuhr mit der Eisenbahn an einen neuen Ort, irgendwo in Britannien. Nahm sich anonym ein Zimmer. Sammelte, was ihm in die Hände fiel, über die neue Umgebung und ihre Geschichte - in Bibliotheken und bei vorsichtigen Gesprächen in Gasthäusern, bis seine Neugier gestillt war. Dann zog er willkürlich weiter, ohne irgendein Muster oder einen Plan. Jedes neue Ziel wurde am Morgen nach der Abreise ausgewählt. Man hatte ihm versichert, daß die Polizei ihn nicht mehr suchte; dies war seine Methode, anderen an ihm interessierten Gruppierungen auszuweichen, die weniger verläßlich waren.
    Er las alle Zeitungen, die ihm unterwegs in die Hände fielen und suchte die Seiten nach Zeichen ab. Eines Tages, im nördlichen Schottland, stieß er in einer zwei Tage alten Londoner Zeitung auf einen Nachruf: Sir Nigel Gull, der ehemalige Leibarzt der königlichen Familie. Man hatte ihn tot im Arbeitszimmer seines Landhauses gefunden. Allem Anschein nach Selbstmord. Es war Zeit.
    Ende März kehrte er nach London zurück, nahm sich wieder ein Zimmer im Hotel Melwyn und verfiel in die gleiche Routine, derer er sich zuvor befleißigt hatte. Er wußte, daß sein Leben nicht weitergehen konnte, ehe er nicht irgendeine Nachricht von Jack erhalten hatte, und ebenso sicher war er, daß sie nicht mehr lange auf sich warten ließ.
    Eines späten Abends, nach einem Gewitter, als er die kleiner werdenden Lichtblitze am Himmel vor dem Fenster beobachtete, klopfte es an Doyles Tür.
    Es war Larry. Zeus, der Hund, war bei ihm. Beide
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