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Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Titel: Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen
Autoren: Jürgen von der Lippe
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    ist eine weitere Laune der Natur, die dafür sorgt, dass unser Selbstwertgefühl nicht zu groß wird – eine Art Alarmanlage, die sofort losheult, wenn jemand anderes einem ans Eigentum will. Und hier stoßen wir unversehens an Kants Grenzen. Der gute Imma-nuel, der, wie es heißt, nie eine Beziehung zu einer Frau gehabt hat, konnte vermutlich nur darum seinen kategorischen Imperativ wie folgt formulieren: »Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit als allgemeines Gesetz gelten könnte.« 2000 Jahre vorher hat Konfuzius es etwas einfacher ausgedrückt, nämlich: »Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.«
    Das würde bedeuten, dass jemand, der die Eifersucht verspürt hat und weiß, wie beschissen man sich dabei fühlt, jede Handlung zu unterlassen hat, aufgrund derer sich jemand anders ebenso beschissen fühlt. Im Klartext: Nie mehr in der Kneipe eine Frau anlächeln, von der ich nicht sicher weiß, dass sie solo ist. Wie gesagt, Kant war nie liiert und Konfuzius wahrscheinlich auch nicht, sonst hätten sie gewusst, dass es hier um Reflexe geht – um archaische Verhaltensmuster, die nicht der Ratio unterworfen sind, oder anders gesagt: nicht des Philoso-phen Baustelle. Das Grinsen ist der Anlauf zur Verbreitung der eigenen Gene, die Eifersucht der Versuch, dagegenzuhalten. Man hört die Natur förmlich sagen: Ich wünsche einen sauberen Fight, geht in eure Ecken, kommt kämpfend zurück, möge der Bessere gewinnen.
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    Natürlich hat es immer wieder Versuche gegeben, die Eifersucht zu besiegen, weil sie auch wirklich oft grundlos zuschlägt und allen die Stimmung vermiest. So wurde zum Beispiel in den späten 60ern, frühen 70ern die offene Beziehung in linken studenti-schen Kreisen obligatorisch: Freiheit für mich und meine Partnerin. Man hat sich auch alles erzählt und siehe da: Man war nicht mehr eifersüchtig! Es ging! Und zwar natürlich in die Hose, denn der Witz war, dass man gar nicht mehr verliebt war, eigentlich nur eine neue Freundin wollte, es der alten aber nicht sagen wollte und das le-gitime Fremdgehen so lange betrieb, bis sie von sich aus die Beziehung beendete. Mir ist klar, dass Sie jetzt sagen: »Danke, Meister, für die erhellenden Ausführungen, aber gibt es vielleicht auch eine gute Nachricht?« Ja, und zwar bei Epikur, dem Urvater der utili-taristischen Ethik. Er rät, bei allem, was unser Es, unser Triebwagen, möchte, eine glücksmäßige Kosten-Nutzen-Rechnung an-zustellen. Beispiel: Ich möchte fremdgehen, es bietet sich an die – sagen wir – Gattin meines Chefs.
    Ich habe nicht die Absicht, meine Beziehung zu gefährden, es lockt einfach mal wieder der Reiz des Neuen, es sticht mich der Hafer, es juckt. Wenn meine Frau es er-fährt, ist sie traurig, das ist an sich schon nicht schön, aber ich werde es auch bitter büßen, das wird also ein sehr teurer Spaß.
    Und sie wird es erfahren, denn ich werde mich, ungeübt und skrupulös, wie ich bin, verraten. Wenn der Chef es rauskriegt, mit 140
    wem seine Frau ihn betrügt, werde ich gefeuert. Sollten wir uns auch noch ineinander verlieben, oder noch schlimmer, nur sie sich in mich, ist die Kacke aber richtig am Dampfen. Sie merken: Wenn Sie sich nur ein paar Sekunden Zeit nehmen, um einige Szenarien gedanklich durchzuspielen, könn-te es sein, dass Sie ganz von selbst die Lust verlieren, It’s not cool, it’s not hip, it’s Epikur.
    Und außerdem ist es ja auch ein sehr schö-
    nes Gefühl, einer der wenigen anständigen Kerle im Viertel zu sein.
    Sollte das mit Epikur nicht hinhauen und Sie haben es getan, Ihre Frau hat es gemerkt, Sie mit einer eindrucksvollen Indizienkette konfrontiert, worunter vielleicht besonders die Frage der Noch-Gattin des Chefs an Ihre Frau ins Auge springt: »Hat er es Ihnen schon gesagt?«, dann kann ich nur noch mit einer kleinen Formulierungshilfe von Adam Thirlwell dienen, der in seinem fabelhaften Romandebüt »Strategie« sinngemäß sagt:
    »Untreue ist nur der Versuch, es mehr als einer Person recht zu machen.«

SIE Ordnung
    Es gibt wohl kein anderes Thema, das soviel explosiven Zündstoff in sich birgt wie Ordnung – und zwar das ganze Leben. Der
    Heckmeck geht schon in der Kindheit los –
    wer erinnert sich nicht an den elterlichen Satz: »Bevor du nicht dein Zimmer aufgeräumt hast, gehst du nirgendwo hin!« Und er hört vermutlich erst auf, wenn der letzte 141
    Deckel über einem zuklappt. Sobald Menschen unter einem Dach zusammenleben,
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