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Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Titel: Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen
Autoren: Jürgen von der Lippe
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versucht jeder, seine Vorstellungen von Ordnung durchzudrücken. Manche sind so hartnäckig, dass sie dabei Seelenfrieden, Partnerschaft und Leben riskieren, wovon Nachbarschaftsstreitigkeiten mit tödlichem Ausgang zeugen, die mit einem 4 cm über den Gartenzaun gewachsenen Ästchen be-gannen.
    Das Gemecker meiner Mutter hatte erst ein Ende, als ich von zu Hause aus- und in einer Wohngemeinschaft einzog. Meine Ordnung war endlich Privatangelegenheit. Dachte ich.
    Aber bei zehn deutschen Student(inn)en, einem Kind, drei Bädern und einer Küche brauchte es einen Plan, der eindeutig erkennen ließ, wann wer wo was machen musste, damit das Zusammenleben funktionierte.
    Theoretisch kein Problem, aber in der Praxis ein Fiasko, das fast wöchentlich neu disku-tiert werden musste. Es lag nicht an den von angehenden Mathematikern, Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Technikern und Medizinern ausgetüftelten Putz-, Spül- und Einkaufsplänen, sondern an der panischen Angst der Männer, einen Handschlag mehr zu tun als jemand anderes, weshalb sie es lieber ganz bleiben ließen – oder auf sehr originelle Maßnahmen verfielen. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man seinem neuen Lover ein tolles Frühstück verspro-chen hat, mit ihm in die Küche kommt, um gar kein Geschirr vorzufinden und es erst nach längerem Suchen in zwei Einkaufswa-gen gestapelt im Garten zu entdecken, wo es 142
    wohl vom nächtlichen Dauerregen gespült werden sollte. Toll auch, wenn es zu einer kunstvollen Geschirrpyramide zusammenge-fügt auf dem Abtropfbrett stand und es keine Möglichkeit gab, ein Teil wegzunehmen, ohne dass der ganze Haufen in sich zusam-menbrach.
    Es ist nicht so, dass Männer Unordnung in Gemeinschaftseinrichtungen besser ertragen, sie sind nur zutiefst davon durchdrun-gen, dass es eben doch Frauensache ist, sie zu beseitigen.
    Männer haben überhaupt kein Problem mit einer Zweidrittelmehrheit für Frauen – beim Aufräumen. Frau hält ihren Bereich in Ordnung und den Gemeinschaftsbereich und dafür der Mann seinen. Das haben die Männer meiner Generation von ihren Müttern, da sind sie entwicklungsresistent.
    Dagegen lief das Leben in der Frauen-WG
    wie geschmiert. Die Hausarbeit wurde ohne Pläne und Probleme organisiert und erledigt.
    Unter Frauen reicht es völlig aus, wenn eine sagt: »Mädels, wir machen uns einen Sekt auf und bringen die Küche auf Vordermann.« Eine halbe Stunde später strahlen Mädels und Küche um die Wette, jede hatte dort angepackt, wo gerade keine andere war, eigentlich ganz einfach, aber von einem Mann zu viel verlangt. Mein Göttergatte will in einen Entscheidungsprozess einge-bunden werden. Ich muss also sagen:
    »Schatz, möchtest du spülen oder abtrock-nen, die Küche oder das Bad putzen, mich bekochen oder zum Essen ausführen?« Die Chance, dass er bei einer von sechs Alterna-143
    tiven anspringt, ist nicht hoch, aber sie ist da. Meist hat er aber Weltbewegenderes zu tun, etwa die Saiten seiner E-Gitarre nach dem Spiel mit einem Spezialöl liebevoll und sorgfältig einzureiben, damit sie nicht ro-sten. Sie dürfen aber nicht glauben, dass ihm der Zustand des Haushalts wurscht wäre.
    Das erkenne ich meist an folgendem Satz:
    »Du, Monika, komm bitte mal. Ich muss Dir etwas zeigen.« In der Regel werde ich darauf hingewiesen, dass ich vergessen habe, ein Cremetöpfchen, eine Teedose, ein Ge-würzgläschen zuzumachen, und muss mir zum x-ten Mal erklären lassen, dass ätheri-sche Öle verfliegen und die Produkte dadurch ihre Wirkung verlieren. Zum Glück gibt es keine Schusswaffen im Haus und außerdem beherrsche ich einige wunderbare Entspannungstechniken. Ich sage dann Dinge wie: »Weißt du was, Schatz, du machst alle Döschen zu und ich mir ein Fläschchen auf.«
    Wir haben auch schon ausprobiert, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Da hieß es bei uns dann kurioserweise immer:
    »Oh Gott, gleich kommt die Putzfrau, lass uns schnell ein bisschen aufräumen.« Und dann dauerte es genau eine Woche, also bis zum nächsten Besuch der Sauberfee, bis wir alle Haushaltsgeräte, Hygieneartikel, aber auch Akten wiedergefunden hatten, die sie, ihrem jahrhundertelang tradierten osteuropä-
    isch geprägten Ordnungssinn folgend, völlig neu geordnet hatte. Das war nicht der Sinn der Sache, also ließen wir davon ab und orientierten uns weiterhin an dem Spruch 144
    meiner Oma, die immer sagte, bevor die Leute Fensterscheiben hatten, konnten sie gar nicht sehen, wie es in ihrer Hütte genau
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