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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sonja Ullrich
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1.
     
    »Grundgütiger, Esther. Bitte keine
Toten mehr!« Anastasios Galanis kauerte auf meinem türkisfarbenen Hartschalenkoffer,
die klobige Kiste fest zwischen die Fersen geklemmt. Sein langes schwarzes Haar
wallte wie feines Wurzelwerk über die Schultern, sein Gesicht war weißer als die
Kalkwand hinter ihm. Er war unausgeschlafen und gereizt, geplatzte Adern rahmten
seine Linsen ein und er hatte sichtlich Mühe, meinen Blick zu finden. Seine Wimpern
flimmerten, der Rest seines Gesichtes war wie versteinert.
    Er hatte
die Buchsen voll.
    »Er ist
nur eingeschlafen.« Ich flüsterte beinahe. »Er ist nicht tot.« Ich ging die letzten
Stufen zu meiner Wohnung hinauf und die Gummisohlen meiner Flipflops applaudierten
gegen meine Fersen. Eine Gänsepelle zog sich über meine Haut. Einerseits, weil ich
fünf Stunden zuvor das Flugzeug nach Hause noch in Urlaubskluft bestiegen hatte
und mir nun kalt war. Andererseits, weil der Mann, der mit ungemütlich verschränkten
Beinen neben meiner Tür kauerte, schon ziemlich tot aussah.
    Das konnte
doch alles nicht wahr sein.
    Hormone
spülten durch meinen Verstand und je näher ich dem Fremden kam, umso schwammiger
wurden die Gedanken. Mein Kopf kribbelte, in meinen Ohren begann es zu knirschen
und im Langzeitgedächtnis zirkulierten die Erinnerungen wie ein Haufen bunter Pullis
hinter dem Bullauge einer Waschmaschine. Alte Bilder klatschten gegen meine Netzhaut
und ich sah mein Leben wie einen Film an mir vorüberziehen. Irgendwann machte der
Streifen eine Vollbremsung und alles, woran ich denken konnte, waren Videorekorder.
    Videorekorder!
In Stresssituationen konnte das Hirn schon irre Spielchen mit einem treiben.
    Nach dem
großen Formatkrieg Mitte der 80er gehörte der Haushalt meiner Eltern zu den wenigen,
die noch in Besitz eines Betamax-Videorekorders waren. Schon damals war es ein altes
Schätzken, ohne ShowView, VPS oder achtfachem Vorspulmodus. Die Fernbedienung kostete
100 Eier extra. Es gab einen Ablauf, den man einhalten musste, damit die Kassette
unversehrt wieder ausgespuckt wurde, und nur Knallschoten spulten das Band im Bildrücklauf
bis ultimo. Den Rekorder bekam Mutti zur Keramik-Hochzeit. Von da an musste sie
nicht mehr die Werbeblöcke, die seinerzeit eher kurz und selten waren, abpassen,
um zu pinkeln. Stattdessen drückte sie die Pausetaste, das Bild flackerte im Stand
und die Bösewichte warteten mit dem Abschlachten, bis sie zurück war.
    Aber die
Pausetaste war Müll, denn sie versaute allmählich das Band.
    Und ganz
gleich, wie lange man das Bild flackern ließ, an der Situation auf der Mattscheibe
änderte sich überhaupt nichts. Geschlachtet wurde trotzdem und wem es bestimmt war
zu sterben, der musste krepieren; auf Gedeih und Verderb. Es war eine Kausalität,
die jedem einhellig in den Kopf ging.
    Jedem. Nur
mir nicht. Aber hierfür müsste ich etwas ausholen:
    Mein Name
ist Esther Roloff, ich bin 34 Jahre alt und höchstwahrscheinlich arbeitslos. Zuletzt
arbeitete ich als Privatermittlerin bei Tozduman Securities, einer Detektivklitsche
im Herzen von Bochum-Wattenscheid. Der Inhaber, Metin Tozduman, war ein untersetzter,
metroreligiöser Türke Anfang 40 mit einem zweiten Standbein als Produzent, Regisseur
und Schmierzettelautor für die lokal angesiedelte Pornoindustrie. Wir hatten uns
zerworfen, nachdem Panko, ein straffälliger Exbulle, in Metins Filmvorführraum,
der nicht mehr als eine Garage mit Sessel und Fernseher war, gepflegt ausblutete.
Ich war diejenige, die Panko fand. Und sein Anblick brannte sich auf ewig in meine
Hirnrinde. Metins Hirn glühte auch; allerdings erst, als die Kripolenten in seine
Garage einfielen, um alles Filmmaterial zu beschlagnahmen, was in ihren Hosenbunden
und Achselhöhlen Platz hatte. Die Tozduman-Dynastie tobte nach dem Vorfall und Metin
begann nach langer Zeit wieder den Koran zu lesen. Ab diesem Zeitpunkt machte ich
mir ernsthaft Gedanken darüber, ob es nicht Zeit für eine Pause sei. Denn Tatsache
war: Ich war müde. Nicht nur vom Job, sondern auch, weil ich nicht schlafen konnte.
Schuld daran war eine Geldwäscheangelegenheit, welcher ich Ende Juni in einem Dortmunder
Casino nachgegangen war. Ganz schlimme Sache, wie sich herausstellte. Zwar versuchte
ich mich undercover. Doch die Drahtzieher, ein Haufen mafiaähnlich organisierter
Niederländer, kamen mir bald auf die Schliche und wollten mich nach alter Tradition
mit einer Kugel beseitigen. Das Ende vom Lied spielte Pankowiak, der mich Dank
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