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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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unsinnige Diskussion mit mütterlicher Strenge und schiebe Marie nebst Charlie zu Volker ins Auto.
    Fabian steigt zu Juliane und Mozart in den schwarzen Panzer, John fährt mit Lotte bei meinem Vater mit.
    Im Konvoi düsen wir in die Pasinger Klink. Volker telefoniert auf dem Fünf-Minuten-Weg mit dem zuständigen Gynäkologen (quasi von Kollege zu Kollege), der uns dann tatsächlich am Noteingang erwartet.
    Marie wird in einen Rollstuhl verfrachtet. Begleitet von einem aufgelösten, koffertragenden Charlie, entschwinden sie Richtung Kreißsaal. Die nicht weniger aufgelöste Sippe wird zur Aufnahme geschickt, um die Formalitäten zu erledigen.
    Volker drängelt sich vor. Die Anmeldung überlasse ich ihm aber gerne. Dabei kann er sich ordentlich wichtig machen und seine Nervosität überspielen. Wie ich in den letzten Wochen nämlich bemerkt habe, hat er mächtig Angst davor, Großvater zu werden. Er tut gerade so, als stünde er dadurch mit einem Fuß im Grab. Zugeben würde er seine Ängste natürlich nie.
    Nachdem die Formalitäten erledigt sind, trottet die gesamte Truppe in die Cafeteria. Wir verteilen uns auf mehrere Tische und warten und warten und warten …
    Schweigend, mit spannungsgequälten Gesichtern, hält sich jeder an seinem Getränk fest, stopft pappige Sandwiches oder klebrige Schokoriegel in sich hinein und blättert in den herumliegenden Zeitschriften. Mozart versorgt uns rührend mit frischen Getränken. Zwischendurch wandern die Kinder durch die Gänge, Volker lenkt sich durch den Besuch bei einem Kollegen ab, der sich auf Unfallchirurgie spezialisiert hat, und ich mache mit John einen kurzen Spaziergang um den Block.
    Stunden später, als die Sonne bereits untergeht und wir immer noch warten, beugt sich Lotte zu Herbert. «Ein Joint zur Entspannung wäre jetzt genau das Richtige …»
    Volker hat es anscheinend gehört. «Mutter!», rügt er sie entsetzt. «Allein der Gedanke ist unpassend.»
    «Wieso?» Sie schüttelt den rosa Strubbelkopf. «Inzwischen behandelt man auch Krebspatienten mit Cannabis. Wir würden hier im Krankenhaus also kein bisschen auffallen.»
    Lotte und nicht auffallen!? Diese absurde Behauptung lässt außer Volker alle kichern. Mein Vater drückt ihr ein Küsschen auf die Wange. Wer weiß, ob Lotte ihm nicht statt des Abendbrots täglich einen dicken Joint serviert.
    Volker ist beleidigt und erhebt sich wortlos.
    «Ach, wenn du schon stehst, besorge uns doch was zum Anstoßen», weist Lotte ihren Sohn hoheitsvoll an, als sei er ihr persönlicher Butler.
    «Soma, beschwörst du damit kein Unglück?», fragt Juliane kopfschüttelnd. «Wir wissen doch gar nicht, ob das Baby schon da ist.»
    Die gesamte Familie mustert Lotte, neugierig auf ihre Antwort.
    Lottes entspannter Miene nach zu schließen, nimmt sie Julianes Vorwurf mit Humor. «Mein kleiner Zeh –»
    Wir erfahren nicht mehr, was es mit Lottes Zeh auf sich hat, denn sie wird von Charlie unterbrochen, der keuchend angelaufen kommt, sich einen freien Stuhl schnappt und erschöpft draufplumpsen lässt. Er sieht ziemlich mitgenommen aus.
    «Alles in Ordnung, mein Sohn?» Volkers besorgte Stimme durchbricht die Stille.
    Charlie schnauft einige Male tief durch, blickt dann von Lotte zu mir und sagt: «Rosemarie, Charlotte!»
    «Ja?», antworten wir einstimmig.
    «So heißt euer erstes Enkelkind!», verkündet mein Sohn und strahlt nun stolz in die Runde. Dann sprudelt es nur so aus ihm heraus: «Das Baby hat blonde Haare, blaue Augen, wiegt fast vier Kilo … ich hab die Nabelschnur durchgeschnitten … Marie geht es gut … und überhaupt war das der absolute Oberhammer … einfach Wahnsinn …»
    Lotte springt auf, reißt Charlie vom Stuhl hoch und drückt und küsst ihn. «Das habt ihr gut gemacht, Kinder! Berti, wir sind jetzt Urgroßeltern», wendet sie sich dann an meinen Vater und fällt ihm schluchzend um den Hals.
    Ich beobachte sie sprachlos. Mein Großmutter-Gefühl lässt auf sich warten. Obwohl ich keine Ahnung habe, wo man das spüren soll. Es ist ja mein erstes Enkelkind. Ich übe quasi noch.
    «Würdest du ausnahmsweise mal Oma zu mir sagen?», flüstere ich John albern ins Ohr. «Damit ich weiß, wie sich das anfühlt.»
    «Alles, was du willst,
Omi
», flüstert er zärtlich. «Hauptsache, du ziehst endlich bei mir ein.»
    Überwältigt von Glücksgefühlen, füllen sich meine Augen mit Tränen. «Versprochen!»

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Über Lilli Beck
    Lilli Beck, Jahrgang 1950, wurden in
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