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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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Morgen», grummelt sie verschlafen, die Hände in Taillenhöhe gestützt. Ihr Bauch ist mittlerweile kugelrund.
    «Wie geht es dir?», frage ich besorgt.
    Das Baby kommt bald. Wir rechnen praktisch jede Minute damit. Heute würde es uns aber nicht so recht passen. Am späten Vormittag sind wir nämlich mit dem Notar verabredet, um die Villa auf die neuen Besitzer überschreiben zu lassen. Ja, es ist so weit, das Haus wird neue Eigentümer bekommen! Das Anwesen bleibt allerdings in der Familie. Charlie und Marie werden die neuen Hausherren! Wir stehen also im doppelten Sinn in den Startlöchern. Denn wie Marie mir gestern Abend gestand, fühlt sich ihr Bauch hart an, und sie spürt immer wieder ein heftiges Ziehen im Rücken. Das sind die ersten Vorwehen – und es ist wieder mal Vollmond. Nach Lottes Theorie zieht er die Babys ja quasi aus dem Bauch. Marie macht sich aber nicht verrückt. So sensibel sie am Anfang der Schwangerschaft auch war, inzwischen ist sie etwas gelassener geworden. Mittlerweile beruhigt Marie
mich
, wenn ich überängstlich reagiere. Sie ist bestens vorbereitet, hat Wickelkurse und Schwangerschaftsgymnastik hinter sich und natürlich alles Wissenswerte über die Geburt in der Fachliteratur nachgelesen. Charlie war nicht weniger fleißig: Das Kinderzimmer inklusive niedlicher Figurentapete an den Wänden nebst einem weißen Babykörbchen steht bereit. Dazu allerlei Kram, den man braucht oder nicht braucht. Unsere Hippie-Oma träumt natürlich von einer Hausgeburt. Eine natürliche Geburt wäre wunderbar, schwärmt sie ständig, und bei starken Wehen könne sich Marie wie die Indianerfrauen an einem Apfelbaumast festhalten und nach unten pressen. Auf die Weise würde das Kind ganz archaisch und natürlich auf die Erde kommen. Vielleicht sogar in einer Vollmondnacht. Tja, ich lasse Lotte gerne ihre Träume. Aber ich werde es zu verhindern wissen, dass mein Enkelkind ins Gras gepresst wird.
    Marie atmet schwer, es klingt beinahe wie ein Keuchen. «So langsam habe ich die Nase voll. Ich komme mir vor wie ein aufgeblasener Luftballon, ich kann nicht mehr liegen, nach dem Essen bekomme ich Sodbrennen, und ich will es jetzt endlich hinter mich bringen.» Liebevoll streicht sie über den Babybauch unter dem weiten, hellgrünen Shirt.
    Charlies blonder Wuschelkopf taucht hinter Maries Schulter auf. «Morgen, Baby», grunzt er ihr ins Ohr, drückt ihr dann einen Schmatz auf den Bauch und spricht mit dem Ungeborenen. «Na, willst du nicht langsam rauskommen, mein Sohn?»
    «Es ist also ein Junge?», frage ich neugierig, denn eigentlich wollten sie das Geschlecht des Ungeborenen ja nicht vor der Geburt erfahren.
    «Nein, wir haben keine Ahnung.» Marie lehnt sich an Charlie an. «Aber Mr.Macho wünscht sich einen Stammhalter, wie alle Männer.»
    «Genau!», bestätigt Charlie, klopft sich spielerisch auf die Brust und streichelt dann über Maries Bauch. «Der ist so dick, da könnte auch ein Zwillingspärchen drin sein, oder?»
    «Na, vielen Dank», schnauft Marie und schubst ihn lachend.
    Das Teewasser ist auf die richtige Temperatur abgekühlt. Beim Aufgießen muss ich unwillkürlich an Volker denken. Er war genauso versessen auf einen Sohn. Die Geschichte wiederholt sich eben, denke ich, und einmal mehr wird mir bewusst, wie schnell die Zeit vergeht. Plötzlich fühle ich mich alt. Oder sind das aufkeimende Omagefühle?
    Schlüsselgeräusche an der Haustür und ein darauffolgendes kräftiges «Juhuuu!» reißen mich aus meinen Grübeleien.
    Lotte schwenkt die knallgrüne Handtasche, die sie in Suses Laden gekauft hat. Mit «Berti» im Schlepptau wirbelt sie in die Küche. Seit sie letzte Woche bei meinem Vater eingezogen ist, trifft man sie nur noch im Doppelpack.
    Dem heutigen Anlass entsprechend, trägt Lotte ihr bestes buntes Kleid, Papa dunkle Hosen und ein weißes Hemd mit Krawatte unterm Jackett. Nur die unvermeidlichen Sportschuhe (heute in Grün, passend zu Lottes Tasche und ihren grünen Stiefeln) verraten den flotten Oldie. Angesichts meiner bunten Sippe wird der Notar den heutigen Termin sicher nicht so schnell vergessen.
    Mein Vater überreicht mir eine prallgefüllte Plastiktüte.
    «Schmutzwäsche?», frage ich scherzend.
    «Das mache ich doch jetzt!», antwortet Lotte und lacht. «Da drin ist das bestellte Fleisch und Maries Tofuwürstel für unser Grillfest. Wir wollen doch feiern, wenn alles unter Dach und Fach ist.»
    «Danke», flüstere ich gerührt, und mit einem Mal ist mir
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