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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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geschminkt hat.
    «Wie ihr vielleicht bemerkt habt», hebe ich an und werde prompt von Charlie unterbrochen, der mit Marie im Schlepptau zurückkommt.
    Als ich erneut ansetze, verlangt Fabian von Lotte lautstark den Schinken, mein Vater will die Schüssel mit Rührei, Juliane den Zucker für ihren Joghurt und so weiter. Bis jeder seinen Teller beladen hat und in sein Wunschbrötchen beißen kann, vergeht eine Weile. Doch dann kehrt endlich Stille ein.
    «Hmm … Also, was wolltest du denn jetzt sagen?», fragt Juliane, während sie ihren Joghurt löffelt.
    «Eigentlich ist es eher eine Erklärung», beginne ich erneut.
    Tassen werden abgestellt, das Geräusch von klapperndem Besteck verstummt, und alle Augen richten sich gespannt auf mich.
    «Wow. Klingt nach einem Geheimnis! Spannend. Leg los, Mama», sagt Juliane aufgekratzt. Sie zieht die Beine hoch, umfasst sie mit den Armen und blickt mich aus großen türkisblauen Augen an, wie sie es als kleines Mädchen oft getan hat, wenn ich ihr Gruselgeschichten vorlas.
    «Nun, vor Urzeiten habe ich mal die große Liebe kennengelernt», deute ich an. Aus heutiger Sicht ist es unwichtig, warum es mit John und mir damals nicht geklappt hat. «Wenn die Dinge damals anders gelaufen wären, wäre sicher mein ganzes Leben anders verlaufen. Und ich hätte diese drei wunderbaren Kinder nicht bekommen!»
    Volker legt geräuschvoll sein Buttermesser auf den Teller, schaut mich mit hochgezogenen Brauen an, sagt aber kein Wort.
    Ich nehme einen Schluck Kaffee, um nachdenken zu können, wie ich den Rest der Geschichte erkläre.
    Doch bevor ich weiterreden kann, klingelt es Sturm.
    Juliane springt auf. «Das muss Mozart sein!», verkündet sie aufgeregt und bittet halb im Rausgehen: «Kann ihn einer reinlassen, ich möchte mir noch schnell die Zähne putzen.»
    «Um diese Uhrzeit kann es doch nur der Postbote sein», behauptet Volker neunmalklug – ohne auf seine Uhr zu sehen.
    Lotte übernimmt das Türöffnen.
    Wie ich an der dunklen Stimme erkenne, ist es weder der nette Glatzkopf mit den eintätowierten Noten noch der Postbote.
    «Es ist für mich!», teile ich der Runde mit und freue mich königlich über Volkers dummes Gesicht.
    Es ist John!
    «Guten Morgen.» Er strahlt mich mit seinem umwerfenden Lächeln an, streckt mir beide Hände entgegen und schaut mir tief in die Augen. «Koffer schon gepackt? Ich kann es kaum erwarten, dass –»
    Lautes Reifenquietschen lässt uns zusammenschrecken. Vor dem Haus hält ein schwarzer Geländewagen. Juliane stürmt mit wehenden Haaren an uns vorbei auf die Straße.
    Meine Tochter ist immer noch so verliebt wie vor fünf Monaten, stelle ich fest und bitte John ins Haus.
    Als wir das Esszimmer betreten, richtet sich gerade alle Konzentration auf Marie, die noch blasser um die Nase ist als sonst.
    Augenblicklich werde ich panisch. «Alles in Ordnung, Marie?»
    Sie erhebt sich schwerfällig. «Ich hab nur zu viel Tee getrunken oder so. Mach dir keine Sorgen, Rosy, ich war gestern bei der Kontrolluntersuchung. Das Baby kommt bestimmt nicht vor dem errechneten Termin. Ich leg mich einfach noch ein bisschen hin. Dann bin ich zum Notartermin wieder okay. Bestimmt.» Gestützt von Charlie, wackelt sie hinaus.
    «Charlie, du holst mich bitte sofort, wenn du Hilfe benötigst», rufe ich den beiden besorgt hinterher.
    Kaum haben die werdenden Eltern den Raum verlassen, sind John und ich der Mittelpunkt.
    Volker begrüßt John zwar mit Handschlag, aber spürbar frostig, als treffe er auf einen Widersacher, mit dem er im Morgengrauen zum Duell verabredet ist.
    Ich versuche, die etwas peinliche Situation durch hektisches Hausfrauengehabe zu entkrampfen, fordere John auf, Platz zu nehmen, biete Kaffee und Frühstück an.
    Volker verlässt den Raum, angeblich um zu telefonieren. Garantiert mit der aktuellen Geliebten. Es ist die neue Dentalhygienikerin aus seiner Praxis, die – welch Überraschung! – zwanzig Jahre jünger ist als er. Lotte hat berichtet, dass die beiden zusammenziehen wollen. Wird aber auch langsam Zeit. Charlie und Marie sollen ihr junges Familienglück in diesem Haus ungestört genießen können.
    John reagiert gelassen auf Volkers ungezogenes Benehmen und setzt sich auf den freien Stuhl neben Lotte. «Ich habe etwas für dich», verkündet er, blickt sie an und zieht einen Umschlag aus seiner hellen Anzugjacke.
    Mit hochroten Wangen schnappt sich Lotte ihn.
    Irritiert beobachte ich, wie sie dem Kuvert einen Brief entnimmt.
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