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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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ich mir träumen lassen, John eines Tages wiederzusehen. Geschweige denn, dass ich ihn noch immer attraktiv finden könnte. Aber noch viel weniger hätte ich erwartet, ausgerechnet von ihm einen Job angeboten zu bekommen.

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    3
    I ch überlege noch, ob Johns Angebot tatsächlich ernst gemeint oder nur eines seiner Verführer-Komplimente war, als uns das Schrillen der Türklingel zusammenzucken lässt.
    «Setz dich doch schon mal auf die Terrasse», schlage ich vor und schiebe John in Richtung Wohnzimmer. «Wer auch immer der Störenfried ist, ich wimmle ihn ab und hole uns dann etwas zu trinken.»
    Der
Störenfried
entpuppt sich als mein Vater.
    Mit Sonnenbrille auf der Knubbelnase, einer lässigen Leinenhose, rotem Polohemd und dunkelblauen Laufschuhen wirkt er wie ein Paradebeispiel für die Best-Ager-Generation. Seine Enkel nennen ihn gerne den rasenden Rentner, seit er jedes Jahr die kleine Distanz beim Stadtmarathon mitläuft – und es auch jedes Mal ins Ziel schafft. Die dreiundsiebzig Jahre sieht man ihm jedenfalls nicht an.
    «Hallo, Papa!» Ich begrüße ihn mit einem Küsschen auf seine frischrasierte Wange. «Waren wir verabredet?»
    Ich verstehe mich gut mit meinem Vater. Er ist kein bisschen leise und manchmal sehr weise, aber natürlich nervt er mich gelegentlich auch schon mal. So wie jetzt, wenn er einfach so hereinplatzt und mehr als ungelegen kommt.
    «Du bist doch eh immer zu Hause, Rosemarie!» Entrüstet sieht er mich mit seinen blitzblauen Augen an. «Sag bloß, du hast es vergessen!»
    Kann sein, dass mir über die Aufregung mit John entfallen ist, dass ich mit meinem Vater verabredet war. Aber es nervt mich, für meine Familie immer die Verfügbare zu sein. Ganz offensichtlich glaubt jeder, man könne mich jederzeit behelligen oder mir irgendwelche Erledigungen aufs Auge drücken. Allen voran mein Exmann. Ursprünglich wollte Volker sich nämlich um die Besichtigungen des Hauses kümmern. Deshalb hatte er den Termin auf seinen freien Mittwochnachmittag gelegt. Aber wie so oft ist ihm dann ein Notfallpatient dazwischengerutscht. Und bei einem Halbgott in Weiß muss man natürlich immer Rücksicht nehmen. Auch wenn ich nicht überprüfen kann, ob er mich nicht vielleicht angeschwindelt und stattdessen seine junge Freundin auf eine Shoppingtour begleitet hat.
    «Was gibt es denn so Wichtiges, Papa?», frage ich vorsichtig und bleibe im Flur stehen. Vielleicht kann ich ihn unauffällig hinauskomplimentieren.
    «Das hier.» Er hält mir zwei Plastiktüten vor die Nase: eine mit schmutziger Wäsche und eine mit Einkäufen aus dem Baumarkt.
    Mein Vater hat ein merkwürdiges Hobby. Er bummelt durch Baumärkte wie Frauen durch Schuhläden. Betrachtet er in den Regalen die neuesten Bohr- oder Schleifmaschinen, glänzen seine blauen Augen wie die einer Schuhsüchtigen beim Anblick von Manolos. Natürlich gehören auch umfassendes Preisevergleichen oder Rabatteaushandeln zu seiner Passion. Mittlerweile wird er von einigen Filialleitern sogar schon mit Handschlag begrüßt.
    Dass hier im Haus so einiges ausgebessert werden muss, rechtfertigt in seinen Augen nicht nur seine Marotte, sondern auch die Anschaffung sämtlicher Spezialwerkzeuge. Seine Wäsche kann er bei der Gelegenheit auch gleich loswerden. Seit dem Tod meiner Mutter vor ein paar Jahren habe ich wie selbstverständlich das Waschen, Bügeln und Ausbessern seiner Kleidung übernommen. Es gibt aber auch noch einen anderen Grund für seine zahlreichen Handwerksbesuche bei mir: seine Kontaktfreudigkeit. Als Journalist im Ruhestand ist mein Vater neugierig geblieben. So ein Talent versiegt nicht, nur weil man den Job an den Nagel gehängt hat. Und wenn sich beim Materialeinkauf im Baumarkt auch noch ein kleiner Flirt mit einer netten Verkäuferin ergibt, fühlt er sich gleich doppelt jung und lebendig.
    «Du weißt, ich mache das jederzeit gerne. Aber im Moment passt es mir nicht so gut. Ich hab nämlich –»
    «Was?», fällt er mir unwirsch ins Wort und mustert mich mit seinem kritischen Röntgenblick, dem selten etwas verborgen bleibt. «Die Schranktür im Flur und den Geschirrspüler hast du wohl kaum selbst repariert! Aber ich habe heute Morgen extra die Dichtung besorgt und … Moment! Du hast doch nicht etwa Geheimnisse vor deinem alten Vater? Vielleicht Männerbesuch?» Er schüttelt amüsiert den Kopf, als sei das völlig unmöglich, drückt mir die beiden Tüten in die Hand und stürmt an mir vorbei ins
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