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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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klingt eher wie eine Feststellung, als er sich in meinem Schlafzimmer umsieht und eifrig Fotos schießt.
    «Genau deshalb haben wir uns zum Verkauf entschlossen», beantworte ich die Frage indirekt.
    Mein Singledasein verstecken zu wollen, wäre ohnehin ziemlich schwierig. Im Bad zeugen eine einsame Zahnbürste, wenige Handtücher und ein einziger Bademantel überdeutlich von einem Ein-Personen-Haushalt. Auch die drei aufgeräumten Kinderzimmer lassen unschwer erkennen, dass der Nachwuchs längst ausgeflogen ist. Es gibt keine herumliegenden Spielsachen, keine lieblos in die Ecke gepfefferten Klamotten, keine angebissenen Äpfel, leeren Joghurtbecher oder zerknüllten Bonbonpapiere auf dem Boden.
    Das Nest ist verwaist.
    Charlie möchte das Haus wegen der Erinnerungen behalten, ich möchte es genau deswegen loswerden – bevor ich zur schrulligen Alten mutiere, die ihre Umgebung mit Gerede von
früher
und
damals
nervt. Am Ende führe ich noch Selbstgespräche!
    Seit Juliane vor etwas über einem Jahr nach Süden ausgewandert ist, benutze ich außer der Küche und dem Bad nur noch das ehemalige Eltern-Schlafzimmer. Der Raum wurde natürlich längst umgestaltet. Ich habe mir ein neues Bett angeschafft, den monströsen Kleiderschrank in den Keller verbannt und meine Klamotten im Flurschrank verstaut. Mit einem pastellfarbenen Anstrich, den geblümten Vorhängen und den gerahmten Fotos meiner Kinder wurde daraus eine gemütliche Wohlfühloase. Dass ich am Abend abwechselnd das Licht in den Kinderzimmern einschalte, damit das Haus bewohnt wirkt, würde ich allerdings vor niemandem zugeben.
    John schießt wieder eifrig Fotos. Dabei geht er zwei Schritte zurück und steht unvermittelt dicht neben mir. Er riecht nach einer herb-frischen Seife oder vielleicht einem Aftershave. Ein sehr männlicher Duft, schießt es mir durch den Sinn, und im selben Moment wird mir bewusst, wie lange mir kein Mann mehr so nahe gekommen ist – noch dazu in meinem Schlafzimmer!
    Verlegen dränge ich ihn aus dem Raum mit der Begründung, dass wir uns das Dachgeschoss und auch den Keller mit den Wirtschaftsräumen noch ansehen müssten.
    Den Räumen im Kellergeschoss ist die dringend notwendige Renovierung am deutlichsten anzusehen. Der Putz hält zwar noch an den Wänden, aber der Anstrich ist längst verschmutzt. Am saubersten wirkt noch der Heizungsraum, in dem seit zwanzig Jahren unsere Waschmaschine ihre Dienste versieht.
    «Hier unten gäbe es Möglichkeiten für einen Hobbyraum oder Partykeller. Die Wände sind trocken, und du wirst nirgendwo Hausschwamm oder sonstige unliebsame Bewohner entdecken. Na ja, vielleicht hier und da mal eine Spinne», verbessere ich mich eilig, als mir ein besonders dickes Exemplar dieser Gattung am Fenster des Waschraums auffällt. «Aber Spinnen behüten ein Haus, wie der Volksmund sagt.»
    Während wir die Treppe wieder hochsteigen, versuche ich nochmal richtig Werbung für das alte Gebäude zu machen.
    «Die Strindbergstraße ist ruhig, liegt nah am Pasinger Marienplatz und damit sehr zentral», doziere ich. «Die Nähe des Elsa-Brandström-Gymnasiums macht das Objekt zusätzlich interessant für junge Familien. Und trotz des unrenovierten Zustandes kann man es, ohne zu mogeln, als Anwesen mit historischem Charme bezeichnen. Es dürfte also keine Probleme geben, einen Käufer zu finden. Der uneinsehbare Garten ist ein weiterer Pluspunkt und –»
    «Ist das dein erster Hausverkauf?» John sieht mich unverwandt an.
    Irritiert von dieser ungewöhnlichen Frage, bleibe ich auf der obersten Treppenstufe stehen. «Volker meint, unser Anwesen wäre ein Spitzenobjekt, und der richtige Makler würde es in null Komma nichts verkaufen.»
    «
Du
wärst eine klasse Immobilienmaklerin, Rosy», stellt John fest, als wollte ich mich um einen Job in dieser Branche bewerben. «Deine Führung war richtig professionell. Und deine charmanten Erklärungen, was die kleinen und größeren Schwachstellen des Hauses angehen – sehr überzeugend. Ich glaube, du könntest jede noch so baufällige Hütte verkaufen.»
    Ich starre ihn an wie einen Außerirdischen. Welch eine Schnapsidee. Wieso sollte ich baufällige Hütten verkaufen wollen?
    «Also, falls du jemals mit einem Job in dieser Branche liebäugelst», fährt er unbeirrt fort, «ich würde dich sofort als Maklerin einstellen!»
    Was für ein verrückter Tag! Mein Erstgeborener macht mich zur Großmutter, und ich begegne meiner ersten großen Liebe wieder. Niemals hätte
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