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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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könntest, würdest du mir damit einen riesigen Gefallen tun», raunt er mit klebrig-süßer Stimme, als ginge es lediglich um frischen Schinken fürs Abendbrot.
    «Zwei, drei Tage?», wiederhole ich entsetzt, in der stillen Hoffnung, mich verhört zu haben. Wenn sich meine Exschwiegermutter hier auch nur für eine Stunde breitmacht, bin ich hinterher reif für die Nervenheilanstalt. Die Frau ist dermaßen chaotisch, dass man eine Putzkolonne engagieren muss, wenn sie nur mal eben heißes Wasser über einen Teebeutel gießen will. Sie würde hier ein derartiges Durcheinander veranstalten, das jeden potenziellen Käufer schneller vertreibt als flächendeckender Schwarzschimmel an den Wänden. Und meine Pläne von einem Wellness-Urlaub könnte ich dann in die Tonne treten, noch ehe sie richtig Gestalt angenommen haben.
    «Ich halte das für keine gute Idee, Volker», antworte ich wenig
kooperativ
. «Der Makler ist mit der Besichtigung noch nicht durch und –»
    «Herr Ansbach bleibt ja wohl kaum über Nacht, oder?» Volker schnauft hörbar ungeduldig.
    «Nein, natürlich nicht», entgegne ich knapp. «Aber wieso zieht deine Mutter nicht einfach in ein Hotel? Oder, noch logischer: zu dir und deiner … deiner Pharmavertreterin. Bei der Gelegenheit könnten sich die Damen auch gleich beschnuppern. Die beiden kennen sich doch noch nicht, oder?»
    Bei der Vorstellung, wie Chaos-Lotte Volkers komplett in hellbeige eingerichtetes Liebesnest verwüstet, sehe ich die junge Geliebte nach kürzester Zeit durchdrehen. Den
Spaß
würde ich ihr gönnen. Ich presse die Lippen aufeinander, um ein Lachen zu unterdrücken.
    «Du weißt, dass meine Mutter die gestärkte Bettwäsche in Hotels nicht mag. Und Ruth ist auf Geschäftsreise und deshalb leider zurzeit nicht in München», antwortet er lakonisch, als käme Lotte ihretwegen zu Besuch.
    Ich will ihn gerade anfahren, dass er dann ja wohl erst recht genug Platz für seine Mutter hat, als schon wieder die Türklingel ertönt und meinen Wutausbruch ausbremst.
    «Moment mal», seufze ich genervt und lege den Hörer weg.
    In wenigen Schritten bin ich an der Haustür. Als ich sehe, wer geklingelt hat, bleibt mir vor Staunen der Mund offen stehen. Draußen steht eine mollige ältere Frau mit struppigen pinkfarbenen Haaren, orangegeschminktem Mund und tiefbraunen Falten im Gesicht.
    Es ist Lotte, meine Exschwiegermutter.

[zur Inhaltsübersicht]
    4
    J uhuuu, Rooosy!»
    Übermütig reißt sie sich die Sonnenbrille von der gebräunten Nase und grinst mich breit an. Passend zur schrägen Frisur trägt sie ein wallendes, bodenlanges Kleid mit kunterbuntem Dschungelmuster. Ihre Schultern bedeckt ein lilafarbenes Häkeltuch, und über dem ausladenden Busen baumeln unzählige Ketten in schillernden Farben. Die Armgelenke sind so üppig geschmückt, dass es mühsam sein muss, auch nur eine Tasse anzuheben. Und es würde mich nicht wundern, wenn Lotte unser Verwandtschaftsverhältnis abstreiten und mir stattdessen ihre Dienste als Wahrsagerin anbieten würde.
    Ich bin so baff über ihr unvermutetes Erscheinen, dass mir die Kinnlade runterfällt und ich kein Wort rausbringe.
    Aber sie ist es, keine Zweifel. Es ist zwar eine Ewigkeit her, dass wir uns gesehen haben – das letzte Mal bei Charlies Abiturfeier, und damals schimmerten ihre Haare noch leicht bläulich –, aber ich erkenne sie.
    «Wie schön, du bist zu Hause», plappert Lotte vergnügt drauflos und umarmt mich, als hätte ich ihren Besuch sehnlichst erwartet. Dann schreitet sie wie eine Königin an mir vorbei ins Haus.
    Mich und ihre zwei monströsen Louis-Vuitton-Gepäckstücke lässt sie einfach stehen. Aber dies ist nicht das Hotel «Bayerischer Hof»! Und ich bin auch nicht ihr Dienstmädchen!
    Lotte entstammt nämlich einer sehr wohlhabenden Familie und ist seit frühester Kindheit an Personal gewöhnt. Ihr wurde quasi gleich ein Zwölfersatz goldener Löffel in die Wiege gelegt. Sich um Banalitäten wie Gepäck oder Rechnungen zu kümmern, hat sie nicht nötig. Aber da ist sie bei mir an der falschen Adresse.
    «Du hast was vergessen!», rufe ich ihr hinterher.
    Wendig wie ein junges Mädchen dreht sie sich so schnell um die eigene Achse, dass der Rock fliegt. «Ach», lacht sie. «Dafür findet sich schon ein Kavalier.»
    Unfassbar! Als wüsste sie, dass im Moment tatsächlich zwei Männer im Haus sind. Mir fehlen erneut die Worte, und ich fühle meinen Blutdruck steigen. Lottes unbekümmerte Art hat mich schon immer auf
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