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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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schmunzelnd. «Falls du es nicht als zu indiskret empfindest, würde ich gerne erfahren, wie dein durch und durch konservativer Exmann zu so einer …» Er bricht ab. Offensichtlich sucht er nach einer höflichen Bezeichnung für die vermutlich schrillste Frau der Stadt. «Na, sagen wir mal, zu so einer unkonventionellen Mutter kommt.»
    «Nette Umschreibung für Lotte», entgegne ich.
    Wie zur Bestätigung ertönt aus dem ersten Stock ein schrilles Lachen.
    Keine Ahnung, wie ich die nächsten vierundzwanzig Stunden überstehen soll. Vor meinen Augen tanzen plötzlich schwarze Punkte. Mir wird schwindelig, und mein Kopf schmerzt.
    «Ich war ehrlich überrascht, als dein Vater sie vorhin als Volkers Mutter vorstellte», fährt John fort. «Wäre sie mir irgendwo auf der Straße begegnet, hätte ich sie für ein Relikt der Flower-Power-Jahre gehalten», stellt John fest.
    «Treffer», erwidere ich matt. «Lotte hält die zerschlissene Hippie-Fahne bis heute hoch.
Alles easy. Love and Peace. Entspannt im Hier und Jetzt
, oder so ähnlich. Würde mich nicht wundern, wenn sie da oben mit meinem Vater einen Joint raucht. Im Grunde ist mir das zwar egal, aber manchmal habe ich einfach nicht den Nerv für ihre Extravaganzen», bekenne ich. «Besonders wenn sie eine ihrer esoterischen Phasen hat. Das Leben ist doch kein Trip auf der Milchstraße!»
    Ich kann mich noch gut erinnern, als ich ihr zum ersten Mal gegenüberstand. Volker hatte mir zwar angekündigt, seine Mutter sei etwas
unorthodox
, aber das erwies sich als maßlose Untertreibung. Hüftlange, ungezähmte Haare in einem schreienden Purpurrot, dazu kunterbunte Klamotten und mit den Gedanken immer im Nirgendwo. Dabei war die Flower-Power-Ära Mitte der Achtziger doch längst vorbei. Anscheinend hatte Lotte aber den Zug in die Neuzeit verpasst. Unser Verhältnis blieb in all den Jahren eher lauwarm. Mein Vater war dagegen von Anfang an begeistert von der flippigen Verwandtschaft. Das ging so weit, dass er auch nicht mehr Papa, sondern wie Lotte von den eigenen Kindern beim Vornamen gerufen werden wollte. Erst als die Enkelkinder kamen und Lotte sich als liebevolle Oma entpuppte, versöhnte mich das etwas.
    «War Volkers Vater eigentlich auch ein Hippie?», fragt John und blickt mich neugierig an.
    «Ja, ein kalifornischer Beach Boy, um genau zu sein.» Ich dämpfe meine Stimme, damit Lotte uns nicht hören kann. «Ich bin mir da aber nicht so sicher. Lotte bemerkte die Schwangerschaft nämlich erst, nachdem sie aus San Francisco zurück war. Und da man in diesen glorreichen Zeiten nie zweimal mit demselben Mann gepennt hat …»
    «Hat Volker seinen Vater denn jemals kennengelernt?»
    «Leider kam er bei einem Surfwettbewerb ums Leben. Aber Lotte betont immer, dass Volker ja auch ohne Vater ein wunderbarer Mann geworden ist. Ihr Verdienst ist das allerdings nicht. Wer weiß, was aus Volker geworden wäre, wenn seine Großeltern sich nicht um ihn gekümmert hätten. Lotte düste ja ständig durch die Weltgeschichte, auf der Suche nach Erleuchtung. Mal nach Holland, und sicher nicht der Tulpenzwiebeln wegen, dann zu einem indischen Guru und später zu einem indianischen Schamanen. Soweit ich mich erinnere, hat sie es auch mit Buddha, Shiva und anderen asiatischen Göttern versucht. Bin gespannt, vor welchen Heiligen sie im Moment ihre Räucherstäbchen anzündet.»
    Mein kleiner Vortrag wird erneut von einem Lacher aus dem Kinderzimmer gekrönt.
    «Sie hat anscheinend nichts ausgelassen», stellt John lakonisch fest.
    «Hmm», murmle ich zustimmend. «Jedenfalls hat sie meist gute Laune. Ich hab sie eigentlich noch nie mürrisch erlebt.»
    «Und du?», wechselt John unvermittelt das Thema und sieht mir tief in die Augen. «Wie ist es dir ergangen? Bist du glücklich?»
    Sein Blick geht mir durch und durch. Bilde ich mir das nur ein, oder flirtet er mit mir? Klingt seine Stimme nicht wie damals, als er mir zuflüsterte, dass wir für immer zusammengehören?
    «Juhuuu, ihr beiden», tönt es plötzlich über uns. Als ich hochschaue, sehe ich, wie Lotte sich samt ihren unzähligen Ketten aus dem Fenster lehnt. «Herbert und ich gehen essen. Hast du vielleicht einen Hausschlüssel für mich? Falls es spät wird …», fügt sie kichernd hinzu.
    Falls es spät wird?!
    Was hat sie vor? Will sie etwa meinen Vater verführen? Den Gedanken ertrage ich nicht. Das wird mir jetzt alles zu viel.
    Wie konnte es nur so weit kommen? Heute Vormittag war es doch noch ein ganz
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