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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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die Palme gebracht. Und zum zweiten Mal an diesem Tag saust jetzt der Staubsauger durch meine Gehörgänge.
    Das noble Gepäck einfach vor der Tür stehen zu lassen, bringe ich aber auch nicht übers Herz. Fluchend zerre ich die Koffer zumindest in die Diele und eile dann meinem Schwiegermonster hinterher. Im Wohnzimmer fällt mein Blick aufs Telefon. Da ist Volker ja noch dran, erinnere mich.
    Den hätte ich beinahe vergessen!
    «Ob du es glaubst oder nicht», schimpfe ich in den Hörer, «die gnädige Frau ist soeben wohlbehalten hier eingetroffen.» Den sarkastischen Unterton kann ich mir nicht verkneifen. «Von Liebeskummer ist jedoch nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: Deine Mutter scheint mopsfidel und überschäumender Laune.»
    «Oh! Ich wusste nicht, dass sie schon heute kommen würde, ehrlich. Und du weißt doch, wie sie ist», startet Volker einen halbherzigen Versuch, mich milde zu stimmen. «Aber sie hat ein gutes Herz.»
    «Genau wie eine Artischocke», kommentiere ich und ergebe mich meinem Schicksal. «Na gut, da sie nun schon mal hier ist, kann sie meinetwegen auch eine Nacht bleiben. Eine Nacht!», wiederhole ich mit Nachdruck. «Verstanden?»
    «Versprochen. Gleich morgen früh, noch vor der Praxis, komme ich vorbei und kümmere mich um sie», versichert er aufatmend. «Danke, Rosy, das ist sehr anständig von dir. Du hast was gut bei mir.»
    Vielleicht eine professionelle Zahnreinigung?, denke ich böse. «Kümmere dich lieber um Charlie. Deinen Sohn beschäftigt nämlich ein viel größeres Problem als eine vorübergehende Wohnungsnot.»
    Mit dieser geheimnisvollen Andeutung lege ich einfach auf. Schließlich muss ich in meinen eigenen vier Wänden jetzt retten, was noch zu retten ist.
    Durchs große Wohnzimmerfenster sehe ich, dass Lotte sich bereits auf einem Stuhl zwischen John und meinem Vater niedergelassen hat. Wie an ihrem Gelächter unschwer zu hören ist, fühlt sie sich sehr wohl in ihrer urlaubsbraunen Haut. Laut und fröhlich schallt es durch den Garten, als fände hier eine Willkommensparty für sie statt.
    «Liebchen», empfängt sie mich, als ich auf die Terrasse trete. «Das Kofferproblem ist gelöst. Dein Vater ist so nett und kümmert sich darum!» Sie blinzelt meinen Vater frech an. «Nicht wahr, Herbert?»
    Ich hasse es, wenn sie mit meinem Vater flirtet. Das hat sie auch schon getan, als meine Mutter noch lebte.
    Aber noch mehr hasse ich es, wenn sie mich
Liebchen
nennt. Erstens war ich noch nie besonders
lieb
zu ihr, und zweitens klingt es so gönnerhaft. Doch es hat wenig Sinn, sich darüber aufzuregen. Lotte kümmert sich nicht um die Wünsche anderer, sondern macht immer das, was sie will. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, hat nur ihren eigenen Vorteil im Auge und flirtet hemmungslos mit allen Männern. Frei nach dem Motto: Man kann nie wissen, wann einem das starke Geschlecht mal nützlich sein wird. Ihrer Meinung nach hört die Emanzipation automatisch bei schweren oder unangenehmen Arbeiten auf.
    «Na logisch, das ist doch eine Kleinigkeit», versichert mein Vater, ganz Kavalier der alten Schule, und springt freudestrahlend auf. «Ist mir ein Vergnügen, liebe Lotte.»
    Na, wenigstens einer in dieser Runde scheint restlos begeistert von Lottes überraschendem Auftauchen zu sein.
    Zu meinem Erstaunen bleibt die
liebe
Lotte aber nicht faul sitzen, sondern erhebt sich ebenfalls. «Wo darf ich meine Siebensachen denn verteilen, Liebchen?»
    «Du hast die freie Auswahl unter den Kinderzimmern, und wo die sind, weißt du ja», antworte ich und lasse mich erschöpft auf die Gartenbank fallen. Das vertraute Knarren der Rückenlehne vermittelt mir für einen Moment das Gefühl, als wäre alles halb so wild. Um mich zu entspannen, kippe ich den Rest meines Proseccos runter. Doch der Frust scheint mir ins Gesicht geschrieben, so mitfühlend wie John mich mustert.
    «Ihr seid wohl nicht gerade beste Freundinnen, oder?», fragt er.
    «
Freundinnen
ist definitiv die falsche Bezeichnung», entgegne ich gequält. «Aber ich will nicht ungerecht sein, den Kindern war sie immer eine liebevolle Oma. Sie hat ihnen oft stundenlang vorgelesen oder mit ihnen gespielt. Und –» Ich stocke. John ist schließlich nicht wegen der flippigen Lotte hier. «Entschuldige bitte, ich will dich nicht mit meinen Familienproblemen langweilen. Zum Glück ist meine Schwiegermutter nicht –»
    «Deine Ex», unterbricht mich John.
    «Wie bitte?»
    «Deine
Ex
schwiegermutter», berichtigt er
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