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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er haben, mich meint er … jetzt weiß er es!«
    »Unmöglich!« Schagin, ein kräftiger Kerl sonst, hatte Mühe, Jugorow immer wieder von der Tür zurückzureißen. Trotz Rudenkos Hilfe würde es bald nicht mehr gehen. »Niemand weiß, wer du bist. Nur ein paar von uns …«
    »Unter euch ist ein Verräter!« schrie Jugorow und stieß mit den Beinen und dem Kopf nach Schagin und Rudenko. »Ein Verräter!«
    Auf der Bank ließ Korolew die Bajan fallen, Goldanski stürzte zum Fenster, und selbst der Alte begriff nun, daß sein Geburtstag für einen anderen zum Todestag werden würde. Er stützte sich auf seinen Stock und wollte hinausgehen, aber der Aufschrei seiner Frau im Rollstuhl hielt ihn fest.
    »Wo ist mein Enkelchen?« fragte er mit plötzlich zittriger Stimme. »Andrej … wo ist er … mein tapferes Enkelchen …«
    Im Vorgarten hatte Walja mit ausgestreckter Hand Krasnikow erreicht. Er nahm sie, küßte sie galant, aber dann riß er Walja mit einem Ruck an sich heran, seine Finger wurden zu Eisenklammern, und ehe Walja fragen konnte: »Was tun Sie da, Victor Ifanowitsch?«, hatte er sie gepackt, herumgestoßen und vor sich gestellt.
    »Rühr dich nicht –«, sagte er heiser, und als sie den Kopf drehte, ihn ansah und seinen eisigen Blick erkannte, erstarrte sie zu einer menschlichen Säule. Zu einem Eisstrom schien ihr Blut zu werden.
    »Komm raus, Igor Michailowitsch!« schrie Krasnikow zur Haustür hin. Offen stand sie, er konnte alles überblicken. Er konnte sehen, wenn Jugorow aus dem Zimmer kommen würde. »Zeig dich, mein lieber Freund. Mein Schachpartner. Du großer Hundefreund. Wir haben jetzt ein offenes Spiel … Was habe ich gestern noch gesagt? Heute verliere ich – morgen brauche ich das Glück. Das Glück ist bei mir, Jugorow, Walja Borisowna heißt es. Eine Göttin des Glücks …«
    Im Zimmer wechselten sich Schagin und Korolew ab. Dann hielten, als auch noch Goldanski zu Rudenko und Korolew hinzukam, drei Mann den um sich schlagenden Jugorow zurück und hatten große Mühe damit.
    Schagin aber ging zur Tür, trat aus dem Haus, stellte sich davor und hob die Hand. Krasnikow lachte auf, es war ein fürchterliches, grausiges Lachen.
    »Auch der Pope ist schon da!« schrie er über Waljas Kopf hinweg. »Was kann da noch passieren? Gesegnet wird er!«
    »Lassen Sie Walja frei …«, sagte Schagin ruhig.
    »Aber nein! Meine Glücksfee ist sie. Meine Sicherheit. Meine Waffe … Jugorow, komm heraus!« Er zog die Pistole aus der Rocktasche, diese höllische Waffe mit den Explosivgeschossen, und drückte den Lauf Walja in den Nacken. »Sieh dir das an, Jugorow! Du kennst die Pistole, du kennst die Munition. Walja wird keinen Kopf mehr haben, wenn ich abdrücke. Komm heraus! Ich weiß, eine alte, billige Methode ist das … ein menschliches Schutzschild, Austausch der Opfer, aber das Einfache ist immer noch das wirksamste. Warum kompliziert denken? Jugorow, komm heraus, und ich lasse Walja frei … Sei ein Kavalier, Igor Michailowitsch. Setz dein Leben ein für diesen Engel …«
    »Gott wird dich strafen, Krasnikow«, sagte Schagin laut.
    »Das hat noch Zeit. Erst liegt noch ein Leben vor mir …« Krasnikow zog mit einem Ruck Walja ganz nahe an sich heran. Der Lauf der gemeinsten Waffe der Welt stieß tief in ihren Nacken hinein.
    »Wo sind deine Gewehre?« brüllte innen Korolew. »Alter, deine Gewehre!«
    »Versteckt im Stall … da kommt ihr jetzt nicht mehr hin. Zuerst wird er Walja erschießen, dann euch. Einen nach dem anderen. Bewegliche Schießscheiben werdet ihr für ihn. Ich kenne das. Bei der Ausbildung in Perm …«
    Korolew senkte den Kopf. Zum Weinen war ihm zumute, zum lauten Heulen wie ein winterhungriger Wolf.
    »Jugorow, die Zeit verrinnt! Das Roulette dreht sich, und zum erstenmal wissen wir, wohin die Kugel rollt!« Sehr sicher war sich Krasnikow. Allein war er mit Walja, und er war fest entschlossen, abzudrücken, wenn Jugorow nicht herauskam. Und das weiß der ›Spezialist‹ auch, dachte er zufrieden und kalt bis ans Herz. Keinen Ausweg gibt es mehr; niemals wird er Walja opfern, um selbst leben zu können. Nie! Nicht ein Mann wie Jugorow. Sei ein wahrer Held, Igor Michailowitsch. So ein Held, wie sie beschrieben werden in Romanen und Filmen … nur ist es hier etwas anders. Wir schießen nicht mit Platzpatronen, wir haben Explosivgeschosse. Wir sterben nicht bis zum nächsten Szenenwechsel, wir sterben wirklich. Du stirbst!
    »Noch zehn Sekunden, Igor Michailowitsch!«
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