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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette
Autoren: Heinz G. Konsalik
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spielten sie Schach. Bis in die Nacht hinein. Nebenan schlief Walja schon, nachdem sie viermal vergeblich nach Jugorow gerufen hatte. Er konnte nicht kommen. Krasnikow am Schachbrett wehrte sich noch verzweifelt; oft saßen sie beide minutenlang vor einem Zug und überdachten ihre Chancen, versuchten den nächsten Zug des Gegners vorauszuahnen und zunichte zu machen. Kein Spiel war es mehr … es war ein Kampf ums Leben.
    Endlich, nach vier Stunden, setzte Jugorow seinen letzten Zug und lehnte sich zurück.
    »Schach, Victor Ifanowitsch. Es gibt keinen Ausweg mehr.«
    Krasnikow blickte lange auf das Schachbrett und die wenigen noch übriggebliebenen Figuren. Dann nickte er.
    »Ich danke dir, Igor Michailowitsch«, sagte er müde. »War ein gutes Spiel. Sag, daß ich mich tapfer geschlagen habe.«
    »Du warst ein harter Brocken, Krasnikow. So schwer hatte ich es noch nie. Wie ein Tiger hast du dich gewehrt.«
    »So soll's auch sein.« Krasnikow wischte mit einer heftigen Handbewegung über das Schachbrett, die Figuren purzelten auf die Dielen. Der König blieb unmittelbar neben der Bohle liegen, unter der Jugorows Funkapparat versteckt war. Mit einem geübten Blick konnte man sehen, daß dieses Stück der Diele gelöst war.
    Aber Krasnikow war zu müde. Er stand auf, umarmte Jugorow, küßte ihn brüderlich auf die Wange und ging zur Tür.
    »Willst du nicht sagen, wen du morgen triffst?« fragte Jugorow besorgt. »Kann ich dir helfen?«
    »Nein. – Vergiß nicht den Brief an meine Mutter.«
    »Ich habe ihn in der Innentasche meiner Jacke. Victor Ifanowitsch, stolpere nicht in eine Dummheit. Der klügste Fuchs tritt in die Falle, wenn man den richtigen Köder auslegt.«
    »Wovon redest du?« Krasnikow drehte sich um und grinste Jugorow mühsam an. »Ein störrisches Weibchen treffe ich, und da braucht man Glück.«
    »Und schreibt einen Brief an seine Mutter?«
    »Nur Vorsicht, Jugorow. Frauen hat es gegeben, die haben in der Ekstase die Kehle ihres Partners durchgebissen. Weiß ich, ob ich an eine solche Hexe gerate?«
    Mit einem harten Lachen verließ Krasnikow das Zimmer Jugorows. Aber er legte sich drüben in seiner Unterkunft noch nicht ins Bett. Er putzte die von ihm ausgewählte Pistole, die schrecklichste Waffe, die es gab: mit Explosivgeschossen wurde sie geladen, die beim Eindringen im Körper zerplatzten. Schon im Krieg hatte man sie eingesetzt, und sie war gefürchtet von den deutschen Soldaten. Kaum einer hatte einen Treffer überlebt, und wenn, dann kostete es ein Bein oder einen Arm oder ein lebenslanges Krüppeldasein. Aufgrund der Erfahrungen des Krieges hatte man das Geschoß immer wieder verbessert. Was Krasnikow jetzt in die Magazine schob, entsprach dem letzten Stand der Entwicklung, es war der absolute Tod. Eine Granate im 9-mm-Format.
    Jugorow, die Kugel rollt!
    Ein trüber Tag ließ alles grau in grau erscheinen, als Walja Borisowna und Jugorow nach Lebedewka fuhren und neben Beljakows Haus hielten.
    Andrej Nikolajewitsch begrüßte sie mit strahlenden Augen. Waljas Händedruck glühte durch seinen ganzen Körper; ihr Blick machte ihn selig, auch wenn er ihn nur kurz streifte. Bei den Beljakows war heute ein kleines Fest zu feiern: Großväterchen hatte Geburtstag. Einundachtzig wurde er. Ein Alter, in dem man sonst im Dorf in der Stolowaja gefeiert hätte, mit Fahnen und Girlanden, mit Musik und Tanz, mit einer Rede von Korolew und Kuchenbergen aus der Nachbarschaft, mit einem Ochsen am Drehspieß und gebackenen Fischen. Aber darauf hatte man in diesem Jahr verzichtet, denn wer wußte, was im Winter auf sie alle zukam?
    »Sparen!« hatte der Alte gesagt. »Spart, ihr Lieben! Die im Lager fressen uns noch kahl. Im nächsten Jahr könnt ihr wieder einen Ochsen rösten … ich überlebe noch die Hundert!«
    Zu Mittag gab es gebackene Hühnchen mit Kartoffelkuchen, dazu Agurkai su Rukcscia Grietne – das ist ein Gurkensalat mit saurer Sahne und einem Schüßchen Wein –, aber Großväterchen traten erst die Tränen in die Augen, als seine Schwiegertochter die Bosbasch-Suppe auftrug, ein Gedicht vom Herd, bestehend aus Hammelfleisch, Tomaten, grünen Bohnen, Kartoffeln und Auberginen, gewürzt mit Zwiebeln, brauner Butter, Paprika und Petersilie. Aus eigenem Garten alles, abgerungen der Erde … man kann Großväterchens Tränen verstehen.
    Korolew und Goldanski aßen wie die Verhungerten, Rudenko ärgerte sich über seinen empfindlichen Magen, und Schagin, der Pope, hatte während des Essens
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