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Showman

Showman

Titel: Showman
Autoren: Jason Dark
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vorgeschoben war, so daß ich zwischen ihr und der Wand eine Deckung fand, wenn ich mich flach machte.
    Der Blickwinkel war nicht ideal, als hätte ich direkt vor der Bühnenmitte gesessen.
    Aber er reichte aus.
    Wieder benötigte ich etwas Zeit, um mich an das Licht auf der Bühne zu gewöhnen.
    Ich sah die beiden Lichtkreise, ich sah auch die drei besetzten Sessel, ich sah die Körper und die ausgestreckten Beine, und dann hatte ich das Gefühl, innerlich von unzähligen Scherben zerschnitten zu werden. Was ich sah, durfte nicht wahr sein, das war verrückt, das war der kalte, brutale Horror, ein Alptraum, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte.
    Die sechs Mitglieder der Gruppe LIVED hockten in den sesselartigen Stühlen, und allen fehlte der Kopf!
    Aber die Köpfe waren noch vorhanden.
    Wie Kunstwerke lagen sie auf den Schößen, von den Händen gehalten…
    ***
    Steven Dancer stöhnte auf. Er schien wie aus einem langen Schlaf erwacht zu sein. Sein Kopf bewegte sich, er schaute sich um, zwinkerte und sah uns an. »Mein Gott«, sagte er, »was habe ich da alles gesagt?«
    »Die Wahrheit wohl«, erwiderte ich.
    »Kann sein.«
    »Ich glaube es schon.«
    »Möchten Sie etwas trinken?« fragte Suko.
    »Bitte?«
    Mein Freund wiederholte die Frage. Erst dann antwortete Steven Dancer mit einem Nicken. Suko schenkte das Glas fast voll, und Dancer schaute zu. Er sah aus, als wollte er einen Kommentar abgeben, hielt sich damit jedoch zurück, nahm das Glas zwischen die Hände und führte es zum Mund.
    Er trank langsam, und er sah dabei aus, als würde er über etwas genauer nachdenken, sich aber nicht trauen, es zu formulieren. Als das Glas halbleer war, stellte er es wieder ab und wischte mit dem Handrücken über seine Stirn.
    »Geht es Ihnen jetzt besser?« fragte ich.
    Dancer hob die Schultern. »Weiß ich nicht«, murmelte er, »aber der Durst ist weg. Auch das trockene Gefühl in meiner Kehle. Da ist nichts mehr vorhanden.« Er lächelte etwas verloren. »Als ich mich erinnerte, da kam es mir vor, als würde ich alles noch einmal erleben. Es war schlimm. Ich habe sogar den muffigen Geruch wahrgenommen, der mich umgab, und ich spürte die Luft, als hätte jemand mit einem feuchten Schwamm über mein Gesicht gestrichen.«
    »Wollen Sie denn weiterreden, Mr. Dancer, oder möchten Sie sich erst einmal erholen?«
    Meine Frage hatte ihn überrascht. »Was denken Sie von mir, Mr. Sinclair? Ich bin gekommen, um Sie um Hilfe zu bitten. Da kann ich doch nicht mittendrin aufhören.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Es ist nur so schlimm, daß man als Mensch so etwas mitmachen mußte. Ich war ja früher Fan der Gruppe und habe mich zunächst nur von der Musik antörnen lassen. Später fing ich dann an, über die Texte nachzudenken und sie auch zu begreifen. Endgültig die Augen geöffnet hat mir dann mein Freund im Kloster. Da wußte ich plötzlich, was ich tun mußte. Aber daß ich so etwas vorfinden würde, hätte ich nicht gedacht.«
    »Was taten Sie denn, nachdem Sie all den Schrecken entdeckt hatten?« fragte Suko.
    Dancer lächelte verloren, bevor er antwortete: »Was ich tat?« murmelte er. »Okay, ich werde es Ihnen sagen.« Er schaute an uns vorbei, als wäre die Wand am interessantesten auf der Welt. Oder das
    ›Tugendfoto‹ der Queen, das dort hing.
    Dann redete er.
    ***
    Steven Dancers Erzählung
    Ohne Köpfe! Die Musiker haben keine Köpfe mehr. Man hat sie ihnen abgeschlagen und sie auf ihre Hände gesetzt wie Trophäen des Grauens. So etwas gehört in die Geisterbahn, aber nicht in die Wirklichkeit. Ich wußte natürlich, daß ich mich nicht in einer Geisterbahn befand, sondern in einem Theater.
    Wie ein zitterndes Bündel hockte ich hinter der Bank und hoffte, daß mich niemand entdeckte.
    Allein mit den Geköpften war ich nicht. Die Gruppe bestand aus sechs Musikern, die allerdings auf das Kommando ihres Chefs hörten, und das war dieser Showman.
    Mir rieselte es kalt den Rücken hinab. Oder war es eine Hitze? Ich wußte es nicht, denn in meinem Zustand war ich nicht mal in der Lage, dies genau zu unterscheiden. Der Schrecken hielt mich in seinen Klauen, und er würde so leicht nicht mehr loslassen. Den beiden Kanistern galt nur mehr ein flüchtiger Gedanke. Ich glaubte nicht daran, daß ich mein Vorhaben, das Theater abzufackeln, jetzt noch in die Tat umsetzen konnte, obwohl es am besten gewesen wäre.
    Was sollte ich tun?
    Die Stille zerrte an meinen Nerven.
    Sie war so dicht. Sie drückte sich um mich
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