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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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Franz sich zu Ende erklärt hat, weiß ich, was er fragen wird. Und er, auch er weiß schon, bevor er seine Frage überhaupt gestellt hat, was ich darauf antworten werde.
    Also stellt er sie gar nicht mehr. Redet stattdessen noch ein bisschen um das eigentliche Thema herum. Beschreibt Umstände, erzählt von der Situation, in der sie stecken. Warum sie zu Hilfe gerufen wurden. Und am Ende, glaube ich, ist er froh, dass ich ihn unterbreche. Dass ich ihm sage, ich verstehe, worauf er hinaus will.
Ihr braucht Leute
, sage ich. Und ein wenig tut es mir leid, dass ich ihn enttäuschen muss. Aber ich weiß, dass er es. Wer, wenn nicht Franz, wird verstehen können, was ich meine. Wenn ich ihm sage, dass es nicht persönlich ist. Dass ich es mir seinetwegen wirklich noch einmal überlegt habe. So gut man das in der Geschwindigkeit tun kann. Dass ich es seinetwegen glatt tun würde, sage ich. Und erkläre ihm trotzdem, dass ich es meinetwegen nicht kann.
Ich will meinen Dienst nicht noch einmal aufnehmen
, sage ich.
Ich habe das hinter mir. Ich stehe jetzt woanders
.
    Sie überrascht mich nicht, Franz’ Reaktion auf meine Ablehnung. Ich bin darauf gefasst, dass er unser Gespräch innerhalb der nächsten Minuten beenden wird. Dass er mich zur Türe begleiten, mir alles Gute wünschen und sagen wird:
Links und dann nach hundert Metern durch die Türe gehst du rechts. Da steht Zoll drauf. Da musst du hin. Und da ist auch deine PPK
.

ZEHN

1
    Auf den Straßen ist kaum Verkehr. So gut wie keine LKWs rollen über die Autobahn. Während ich mit hundertachtzig auf der rechten Spur fahre und mich freue, wie der schwere Siebener, den sie mir zu Sonderkonditionen am Flughafen angedreht haben, diese Geschwindigkeit ohne die geringste Anstrengung hält. Der Motor dreht 2500 Touren, er ist praktisch nicht zu hören. Nur das Abrollgeräusch der Allwetterreifen, die manche Autoverleiher selbst auf Limousinen wie diese montieren, stört das perfekte Gesamtbild dieses Autos. Der Rest funktioniert reibungslos. Und die Stereoanlage ist famos. Ich hätte gerne, ja was, denke ich. Ich weiß gar nicht, welche Musik ich hier drinnen als erste hören wollte, so perfekt abgestimmt erscheint mir die Anlage in diesem Auto.
    Im Radio spielen sie Bach.
    Die Musik ist ebenso ruhig wie die Landschaft, die draußen an mir vorbeizieht. Die A3, auf der ich heute auch viel schneller fahren könnte. Denke ich. Und trete aufs Gas. Er wird bei 250 abriegeln, denke ich. Aber ich bin gespannt darauf, wie lange es dauert, bis der Wagen diese Geschwindigkeit erreicht haben wird.
    Im Radio höre ich, wie die Kanzlerin den Ausnahmezustand erklärt.
    Sie sagt, die Situation verlange nach besonderen Mitteln. Sie sagt, dass die Behörden weitergehende Freiheiten brauchen als bisher. Dass sie persönlich und die ausführenden Organe alles tun werden, damit diese besonderen Rechte nicht missbraucht werden.
Niemand hat etwas zu befürchten
, sagt sie. Und ich muss lachen. Lache immer noch, als sie sich selbst ausbessert:
Niemand, der nicht zu Recht etwas zu befürchten hat
.
    Diese stille Drohung, denke ich. Sie hat nicht gesagt: Wir werden euch kriegen. Wir werden euch stellen und jeden einzelnen von euch erledigen. Aber das ist, was sie meint. Das ist, was auch die anderen meinen. In Frankreich, Schweden, England und in vielen anderen Staaten werden die Behörden mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, die zivilen Rechte deutlich einzuschränken. Es ist eine konzertierte Aktion, denke ich. Sie haben sich bestimmt untereinander abgesprochen. Und ich frage mich, ob sie diese Krise eint. Ob diese Krise wenigstens zum Teil dazu beiträgt, dass Europa doch noch zu
einem
Europa wird.
    Aber was erhoffen sie sich wirklich davon, frage ich mich, während der Nachrichtensprecher weiter redet und berichtet, dass es wieder fünf waren, dass allein in Deutschland schon wieder fünf Anschläge gelungen sind und vier verhindert werden konnten.
    Werden sie es erreichen? Und wie lange wird es dauern, bis sie für Ruhe gesorgt haben werden? Ob sie begreifen, dass sie schon verloren haben? Werden sie irgendwann kapitulieren? Kann man als Staat überhaupt vor einem Feind kapitulieren, den es im Grunde gar nicht gibt? Der nicht eine Armee für seine Zwecke unterhält, sondern der die Armee ist, eine Armee aus unabhängig voneinander operierenden Einzelkämpfern?
    Eine Schlacht, denke ich. Sie haben diese Schlacht verloren. Und die Bilder haben ihre Macht
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