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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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die sie nach Mali geschickt haben, diesen einen mit dem Totenkopfschal ausfindig zu machen.
    Den Vormarsch der Islamisten stoppen
, nannten es die Franzosen.
Verdeckt operierende Einheiten bekämpfen
, nannten sie es bei mir.
Stoppen
sagten sie auch manchmal. Sie sagten
außer Gefecht setzen
, wenn sie exekutieren meinten. Wenn sie den einen sauberen Schlag von mir wollten, für den sie mich ausgebildet hatten. Von dem sie mir beigebracht hatten, wie ich ihn sicher durchführe. So sicher, wie es die Umstände zulassen. Das Umfeld, in dem sich ein Ziel aufhält. So sicher, wie es die um ein Ziel versammelten Menschen in den Augen einer Befehlskette verdient haben.
    Verdient, sage ich. Und weiß, dass es nicht darum geht, wer etwas verdient hat. Es geht nie darum, jemanden zu bestrafen. Man bekämpft keine Menschen. Erschießt keine Liebhaber, Familienväter, Töchter, Söhne, Kreditnehmer, Bauern, Handwerker, Ziegenhirten, Gelehrte, Intellektuelle, Volkshelden oder Lehrer. Man eliminiert Dienstgrade. Neutralisiert Drahtzieher. Setzt Befehlshaber außer Gefecht. Man tötet nicht Personen, sondern bloße Funktionen. Die Menschen, die dahinter stehen, spielen keine Rolle. In den allermeisten Fällen denkt man sie nicht mit. Ebenso wenig wie die, die sich möglicherweise in der Nähe eines Zieles aufhalten. Die sich praktisch immer in der Nähe befinden. Die niemand schützen will. Weil sich alles bloß darauf konzentriert, selbst nicht zur Zielscheibe zu werden.
    Als Schütze oder als Einheit will man selbstverständlich keine Angriffsfläche bieten. Aber es geht vor allem darum, als Streitkraft in den Augen der Öffentlichkeit nicht angreifbar zu werden. Nicht mehr, als man es ohnehin ist, wenn man das Töten, wenn schon nicht befiehlt, dann zumindest in Kauf nimmt.
    Aus diesem Grund gibt es, wenn eine Kamera in der Nähe ist, keinen Schuss. Ich zumindest durfte dann schon mehrmals nicht schießen. Obwohl die Bedingungen hervorragend waren und die Umstehenden nicht gefährdet worden wären.
    Sie hatten Angst. Immer hatten sie Angst, und in all ihrer Durchsetzungskraft haben sie bestimmt immer noch Angst davor, dass eine Kamera festhalten könnte, wie der Kopf eines ihrer Ziele zerplatzt. Wie das Projektil beim Durchdringen einer Stirn aufpilzt und den gesamten hinteren Teil eines Hadschikopfes wegsprengt. Wie sein Körper halb enthauptet auf den Boden geschleudert wird, während über und hinter ihm eine beinahe unsichtbare rosa Wolke im Bruchteil einer Sekunde verpufft.

3
    Die Geräusche. Es sind die Geräusche, die sich als Erstes verändern. Jedes von ihnen will etwas bedeuten. Man hört knackende Äste. Den Wind. Nimmt ein noch weit entferntes Motorengeräusch als beginnende Bedrohung wahr. Menschen, die arbeiten. Transporter, deren Motoren hochgedreht werden. Mopeds, die starten. Kinder, die spielen. Und Hunde, die bellen. Genau wie alle anderen Dinge um einen herum nimmt man im Einsatz die Geräusche aus ihrer alltäglichen Bedeutung heraus, und man nimmt sie mit hinüber in diese neue, körperlich übergriffige Ungewissheit.
    Sie sind noch Geräusche und Dinge. Aber sie werden zu Zeichen. Dafür, dass jemand da ist. Oder dafür, dass niemand da ist.
    Bäume, Äste und Häuser verlieren ihren zivilen Sinn. Sie sind nicht mehr schön, knorrig, klein, wohnlich oder heruntergekommen, nicht mehr grün, groß, verdorrt oder alt. Sie sind all das. Aber sie sind noch mehr. Aus Mauern werden Deckungen. Jedes Haus birgt eine stille Gefahr in sich, die man im Auge behalten muss. Hunde, Katzen und Ziegen werden zu lebenden Alarmanlagen. Denn sie sind die Ersten, die reagieren, wenn sich ein paar hundert Meter entfernt eine verdächtige Bewegung ankündigt. Eine Bewegung, die man noch nicht sieht und die sich, schneller als einem lieb ist, zu einer schweren Bedrohung auswachsen kann.
    Und dann sind da die Fliegen und die Mücken. Die heute nicht da sind. Die auch damals nicht immer da waren. Irgendwann wurde es zu heiß. Selbst für die Mücken zu heiß. Oder vielleicht auch zu trocken. Jedes Jahr kam die Zeit, in der sich keine Moskitos, sondern nur mehr hunderte von Fliegen auf meine salzige Haut stürzten. Vor Durst oder vor Hunger oder vor beidem halb wahnsinnig, bissen sie in unsere Gesichter und in unsere Handrücken. In den Nacken, wenn er frei zugänglich war. Jedes noch so kleine Stück Haut diente ihnen als Angriffsfläche. Und egal wie wir uns verhielten, sie ließen sich nicht vertreiben. Nicht im Stehen und
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