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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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denke ich, vielleicht ist es heute gar nicht anders. Jetzt, weil die Limousine gerade ankommt, jetzt, während ich die Situation genau beobachte und mich doch weiter mit mir unterhalte, frage ich mich, ob es nicht auch damals schon so war, ob ich nicht auch damals, während ich handelte, weiter mit mir und mir gesprochen habe.
    Es kann sein, dass ich mich nur im Nachhinein nicht mehr daran erinnern kann. Dass ich mich auch morgen nicht mehr an den Strom der Nebensächlichkeiten erinnern werde, der mir gerade durch den Kopf geht.
    Und doch. Ich bin mir sicher, dass dieses Gespräch mit mir und mir tatsächlich verstummt war, wenn Thomas mich aus meinen Gedanken heraus zurück in die Wirklichkeit gezogen hatte, in der ich meine Aufmerksamkeit auf seine Kommandos und auf die Bewegungen der Zielpersonen lenken musste.
    Manchmal, bei Zielen, die weit weg waren, 700 Meter, 800 vielleicht, spielten auch Wind, Wetter, Temperatur und all die anderen Dinge eine Rolle, weil sie die Flugbahn eines Geschosses beeinflussen können. Aber in den meisten Fällen waren wir ohnehin nah genug dran, um einfach draufhalten zu können. Aus 400 oder 500 Metern muss man sich nicht groß kümmern. Da reicht die Präzision eines guten Gewehrs und das Gewicht meiner .338 Sniper. Mit dieser Munition und meiner Waffe konnte ich nahe Ziele praktisch nicht verfehlen. Hätten wir. Nein. Ich hätte Personen in rund 300 Metern Entfernung vermutlich auch in einem kleinen Sandsturm noch sicher getroffen.

4
    Es ist beinahe, als ob man es nicht selbst wäre, der im Einsatz handelt, sondern als ob diese antrainierten Handlungsabläufe das Kommando übernähmen. Schon bei meinem allerersten Schuss war das so. Gab mir meine Routine Halt, konnte ich mich mit beiden Beinen auf den Boden der von meiner Routine künstlich erzeugten Sicherheit stellen.
    Und im selben Moment, in dem diese auf magische Weise in die Welt beschworene Sicherheit mein Handeln wie ein schützender Kokon umgab, wurde im Ernstfall alles unübersichtlich. Jedes Mal, wenn ein Kampf stattgefunden hat, habe ich den Kopf verloren. Praktisch in jeder Situation, in der ich zum Schießen. Nein. Ich bin nie gezwungen worden. Und dennoch habe ich immer, wenn ich geschossen habe, den Kopf und mit dem Kopf auch den Überblick verloren. Nur die Kommunikation zwischen Tom und mir hat dafür gesorgt, dass ich weiterhin funktioniert habe. Dass wir das effiziente Werkzeug blieben, als das sie uns eingesetzt haben.
    Es existiert keine konkretere Situation als ein Kampf. Und gleichzeitig nichts Unwirklicheres. Es gibt keinen Moment, in dem man näher an der Realität dran ist. Und keinen Augenblick, in dem man verlorener sein könnte.
    Es ist nicht ein Kopfverlieren, denke ich. Es ist die höchste Konzentration. Im Kampf ist man vollkommen bei sich, wie man nie bei sich ist. Ist der eigene Geist eine direkte Erweiterung des Körpers. Und der Körper bloß das emotionslose Werkzeug einer kristallklaren Psyche.
    Vielleicht, denke ich. Und weiß, dass es im Grunde keine Rolle spielt, was man denkt, wenn man den Atem anhält, anvisiert und schießt. Wenn man feuert, bis alle Zielpersonen ausgeschaltet sind. Oder bis sie sich so gut verschanzt haben, dass man nichts anderes mehr machen kann, als zu warten. Darauf, dass eine Infanterieeinheit oder ein Hubschrauber, ein Jet oder eine Rakete den Rest erledigt. Oder darauf, dass doch einer von ihnen die Deckung wieder verlässt. Dass sie einen losschicken, um zu sehen, ob die Luft rein ist. Die Luft, von der diesem einen in so einer Situation nicht mehr viel bleibt. Nur die paar Atemzüge, von denen er bloß fürchtet, ich aber weiß, dass sie seine letzten sein werden.

5
    Es war nicht das Töten. Es war, nach dem Töten nach Hause zu kommen. Immer dann, wenn ich wieder vertrauten Boden betreten hatte, in mein Haus gekommen war, zuerst in mein Haus, dann in mein Haus mit Marian, dann in unser Haus, und am schlimmsten war es, als ich in unser Haus mit Marian und mit zuerst einem, mit am Ende dann zwei Kindern gekommen war.
    Im Nachhinein, zu Hause, wurde die Selbstverständlichkeit zu etwas, das man selbst nicht mehr begreifen kann. Vielleicht, weil es auch daheim, unter Freunden und Bekannten, kaum jemand begreift. Weil niemand darüber sprechen will. Oder weil zumindest ich immer dachte, dass sie nicht damit umgehen können. Sie wollen das gar nicht. Sie möchten nicht hören. Und weder will ich, noch sollte ich ihnen erzählen, dass ich es bin. Dass da mit mir
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