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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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jemand neben ihnen steht, an ihrem Tisch sitzt oder neben ihnen im Auto fährt, der durch seine Ausbildung, durch die Umstände, in die ihn diese Ausbildung gebracht hatte, dass er durch Faktoren, die er nicht beeinflussen hatte können. Nein. Es geht nicht um die Umstände und den eigenen Handlungsspielraum. Am Ende ist es viel einfacher: Ich wollte nicht erzählen und sie wollten auch nicht hören, dass mit mir ein Killer neben ihnen am Tisch saß, an der Bar stand, gemeinsam mit ihnen einen Ausflug machte, sie auf einen Spaziergang begleitete, mit ihnen am Rand des Sandkastens stand und die Kinder beim Spielen oder beim gemeinsamen Streiten beobachtete.
    In Marians Fall lag dieser Fremde sogar im gleichen Bett. Lag ich im gleichen Bett. Und obwohl Soldaten seit jeher von nichts mehr zu träumen scheinen, als von diesem Moment, war dieses Nebeneinanderliegen das Schlimmste. War die Distanz zwischen uns bei aller körperlichen Nähe unüberwindlich geworden. Konnte ich Marian und konnte Marian mich nicht berühren, selbst wenn wir versuchten miteinander zu schlafen. Und es waren nicht viel mehr als verzweifelte Versuche, uns doch wieder näher zu kommen. Wir pressten unsere Körper an- und ineinander, in der Hoffnung, das Vergangene hinter uns lassen zu können. Unserer verlorengegangenen Liebe mit einem gemeinsamen Höhepunkt ein neues Fundament zu bauen.
    All das, denke ich, was ich Marian und den anderen nicht erzählen wollte, betrifft kaum den offiziellen Teil meiner Aufgaben. Nicht die Aufträge, die ich für Deutschland erledigt habe. Es betrifft nicht den beinahe harmlosen Teil meiner Karriere. Denn daneben oder darunter, in einer Welt unter der offiziell anerkannten, in einer Sphäre, die es gab und die gleichzeitig nicht existierte, weil niemand darüber berichtete, weil keiner etwas aus dieser Welt nach außen, in die echte Welt hineintragen wollte. Es war tatsächlich, denke ich, eine dieser sogenannten Parallelwelten, in der wir uns befanden und in der wir andere Aufgaben hatten, als die, die uns offiziell zuerkannt wurden.
    Und obwohl es nicht Deutschland war, das uns zum Töten ausschickte, ist es doch dieses Land, das unsere Handlungen zumindest in Kauf genommen hatte. Sind es Funktionsträger in diesem Land, die akzeptiert hatten, dass wir weit mehr getan haben, als eigene Truppen zu schützen. Als den Frieden zu sichern. Oder ihn herzustellen.
    Wie Marian und ich mit unseren verzweifelten körperlichen Schauspielen unserer Liebe ein Fundament bauen wollten, wollten Tom und ich in unseren Einsätzen mit präzisen Schüssen, Treffer für Treffer, dem Frieden eine Grundlage geben. Stur schossen wir in Richtung Waffenstillstand. Und wussten doch, dass der ersehnte Frieden mit jedem unserer Schüsse nur noch unwahrscheinlicher werden würde.
    Sie ließen uns ein Stillschweigeabkommen unterschreiben. Über eine Mission, die es, wie sie es nannten, nie gegeben haben würde. Für die sie trotzdem eine gewisse rechtliche Rückendeckung haben wollten. Sie wollten sich versichern, denke ich. Mit einem Vertrag im rechtsfreien Raum. Der gar keine Geltung haben kann. Der mir nie ausgehändigt wurde und der trotzdem gilt. Aus einem viel einfacheren als einem juristischen Grund: Weil ich nie beweisen könnte, wo und unter welchen Umständen ich welche Uniform getragen habe.
    Er war, vermutlich war dieser Vertrag nur ein Akt der gegenseitigen Beruhigung. Er sollte allen Beteiligten in erster Linie das Gefühl geben, dass unsere Handlungen gedeckt seien. Dass in Ordnung wäre, was wir zu tun im Begriff waren. Aber es war nicht in Ordnung. Wir hatten Unrecht. Ich ebenso wie dieses Land, in dem man immer vom Frieden redet. In dem man dieses Wort wie ein Mantra vor sich hersagt. Ein Mantra, das ich heute hierher mitbringe. Hierher nach Düsseldorf, wo es euch in den Ohren hallen wird, euer Friedensmantra, denke ich. Und komme mir ein wenig lächerlich vor, so großspurig zu denken. So banal zu sagen, dass man mit zweierlei Maß misst. Dass die Öffentlichkeit schockiert sein wird. Dass es in allen Zeitungen stehen und überall zu sehen sein wird. In Deutschland. In ganz Europa wird man lesen, hören und sehen können, wen ich heute erschossen haben werde. Und eigentlich, denke ich, eigentlich sollte ich filmen, was ich hier gleich geschehen lassen werde, weil Dieter jetzt aus seiner Limousine steigt.

6
    Er verhält sich anders, als ich es erwartet habe. Springt nicht voller Elan aus seiner Limousine. Beinahe
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