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Shooting Stars (German Edition)

Shooting Stars (German Edition)

Titel: Shooting Stars (German Edition)
Autoren: Martin Mandler
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unverhohlen das bisschen Aufmerksamkeit, das sie wieder in die erste Reihe bringen könnte. Wieder ganz nach vorne ins Licht der Öffentlichkeit, deren Interesse sich im Lauf der letzten Wochen, Monate oder Jahre von ihnen abgewendet hatte.
    Und natürlich ist das Fernsehen nicht alles. Auch in Zeitungen wird darüber geschrieben. Im Boulevard und in sogenannten seriösen Tages- und Wochenzeitungen. Und an Stammtischen, auf den Fanseiten im Internet wird diskutiert. Die sozialen Netzwerke quellen über, weil sich Tausende zu dem Thema mitteilen wollen. Die Menschen teilen ihre Gefühle und Gesten. Leiten sie weiter. Erklären sich mit Meinungen einverstanden oder kommentieren diese. Und wahrscheinlich unterhält man sich auch in Büros, in Kantinen und Speisesälen, auf Unis, in Bars und in der Sauna über den Mord an Dieter, zu dem jeder auf die eine oder andere Weise hinauf- oder hinabgesehen hat, den sie, wie so viele andere auch, als Projektionsfläche ihrer eigenen Leben missbraucht haben.
    Neben all den Promis zerbrechen sich aber auch maßgebende Menschen, sogenannte Experten, den Kopf darüber, wie es dazu kommen konnte. Sie stellen Vermutungen darüber an, wer dahinter stecken könnte. Warum das geschehen musste. Und was es zu bedeuten hat.
    Und sie haben es bestimmt auch gelesen. Oder gehört, denke ich. Marian hat davon gehört. Und auch Lukas und Elfi werden es registriert haben. Oder auch nicht. Ich weiß nicht, wie gut Marian die Kinder von solchen Dingen fernhält. Ob sie immer noch so gut darin ist wie damals, als sie Lukas und Elfi all die unangenehmen Dinge nicht spüren lassen konnte. Das hat sie mit Bravour erledigt. Nicht nur bei Lukas und Elfi. Auch bei ihren Eltern. Bei ihren Freunden und Bekannten hat sie es immer geschafft, das
sensible Thema
nicht anzusprechen. Und wenn es doch angesprochen wurde, hat sie es abgetan. Mit einem
Du weißt schon. Du kannst dir ja vorstellen
. Oder
Ich weiß es selbst nicht genau. Er erzählt nicht viel
.
    Und bestimmt habe ich wirklich nicht viel erzählt. Hat Marian bemerkt, dass meine wenigen Geschichten nur Lückenfüller waren. Dass das wirklich Wichtige stets irgendwo vor, zwischen oder nach diesen mehr oder weniger alltäglichen, manchmal ein wenig gefährlichen, im Grunde aber langweiligen Dingen passiert sein musste.

3
    Wenn man möchte, wenn man sich der Meinung der meisten Experten anschließt, kann man sich ein
sie
denken. Eine imaginäre Gruppe formen, die Autos anzündet. Man kann aus allen Einzelidioten eine Bewegung machen, die Steine wirft und Flaschen. Oder Molotows. Die sich hin und wieder mit Nazis oder Bullen prügelt. Die schwarz gekleidet gegen die Globalisierung oder die Wall Street auf die Straße geht. Und auch wenn ich mich oft gefragt habe, wie viele von ihnen wirklich ein politisches Ziel verfolgen, und wie viele, aber vor allem, warum diese vielen anderen ein politisches Ziel brauchen, um das zu rechtfertigen, was sie tun. Wieso wir uns praktisch immer ins Recht setzen müssen. Warum muss man nach außen hin, oder vielleicht auch in erster Linie nach innen, für sich, immer vorgeben, die richtige Sache zu vertreten, um Schläge und Beleidigungen, Steinewerfen, Molotows, Prügeleien und Brandanschläge zu rechtfertigen. Oder Schüsse.
    Als ob gute Gründe eine Sache besser machen würden, denke ich. Die guten Gründe, die alle immer haben. Die auch ich bei meinen Einsätzen hatte. Weil ich eingebettet war in ein System von Rechtfertigungen und Argumentationsketten. Genau wie ich auch heute eingebettet bin, weil ich auch heute einen guten Grund dafür habe, das zu tun, was ich tun werde. Aber ich weiß, dass all die guten Gründe nie etwas zu bedeuten haben. Sie können am Ende nicht darüber hinwegtäuschen, dass man sich einfach entschieden hat. Dass man handeln und sich durch seine Taten unweigerlich schuldig machen wird.
    Ich frage mich, was sie von mir halten würden. Sie, die gerade ins Zentrum des Interesses gerückt sind. Weil man plötzlich der Ansicht ist, dass sie jetzt doch zu gezielten Tötungen bereit sein könnten. Sie, die Linken, die militanten autonomen Linken, wie man sie in der Diskussion nennt, in der man sie als mögliche Verdächtige ausgemacht hat. Vollkommen absurderweise und obwohl überhaupt nichts zu den Hintergründen des Anschlags bekannt ist, obwohl es genauso gut eine ehemalige Geliebte oder der Geliebte einer ehemaligen Geliebten hätte gewesen sein können. Ein gedemütigter Kandidat irgendeiner
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