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Sherlock Holmes und die Zeitmaschine (German Edition)

Sherlock Holmes und die Zeitmaschine (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Zeitmaschine (German Edition)
Autoren: Ralph E. Vaughan
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bis ihm sein wohlgeordnetes, in so festen Bahnen verlaufendes Stadtleben wie eine schwache Erinnerung an einen Traum vorkam. So ging es weiter bis zum Anbruch des Morgens, als er sich nicht mehr vom Leben der bevölkerten Straßen, der metallbeschlagenen Transportkisten, der frustrierten Menschen und der ziellos dahinrasenden Droschken zu distanzieren vermochte. Dann begann er, bitter vor Bedauern und Frust, in dieses verhasste Leben zurückzufinden. Er sehnte sich nach endlosen Seereisen auf goldenen Karavellen unter der bronzenen Sonne der Tropen, und doch vermochte er nicht, der Stahlfalle seines reglementierten Lebens zu entfliehen.
    Schließlich seufzte er voller Weltschmerz, stand unsicher von dem langen Holztisch auf, schob seinen Hut schräg und frech zurück und wünschte seinen angetrunkenen Kumpanen einen guten Morgen. Er beglich seine Rechnung an der Bar, zählte das Wechselgeld gar nicht erst nach und schritt zur Tür. Als er nach der Klinke griff, zögerte er noch einmal und wäre am liebsten zurück ins trübe Licht der Kaschemme gegangen, doch dafür war es zu spät. Er öffnete die Tür.
    Der Nebel war genauso dicht wie zu der Zeit, als er davor geflohen war, ja, vielleicht im grauenden Morgen sogar noch etwas dichter. Der Lichtschein und das lärmende Leben im Neptun lagen unwiderruflich hinter ihm, und ihn packte eine bittere Melancholie. Er würde niemals das Leben führen können, nach dem er sich so sehnte, jedenfalls nicht, solange er die Schachfigur der gesellschaftlichen Bestrebungen seines Bruders blieb. Er war tatsächlich nur eine Marionette in der Hand eines anderen, und die Fäden, an denen er hing, waren fest.
    Weder Einspänner noch größere Droschken waren an diesem Aprilmorgen in der stickigen Dunkelheit von Rotherhithe zu sehen. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass er sich bereits ein ganzes Stück vom Rotherhithe-Bahnhof entfernt hatte, seinem eigentlichen Ziel. Doch das war ihm egal. Er wusste, wenn er weiter die Neptune entlang zur Lower Road ging und sich immer zwischen dem Rand des Southwark Parks und der Saint-Marys-Werkstatt hielt, würde er innerhalb weniger Minuten den Bahnhof an der Deptford Road erreichen. Dort konnte er entweder einen Morgenzug nehmen, sich den Luxus einer Droschke leisten oder zumindest den Rest der Dunkelheit in relativer Sicherheit und Bequemlichkeit am Bahnhof verbringen.
    Er schritt nach Süden die Neptune entlang, bis sie sich in die Lower Road ergoss. Dann befand er sich am östlichen Rand des Southwark Parks, einer großen Fläche ununterbrochener Schwärze hinter dem beinahe undurchdringlichen Nebel. Gegenüber lag der brütende, unbeleuchtete Block der Werkstatt. Die Einsamkeit dieser Gegend, die Verlassenheit der Lagerhäuser und der heruntergekommenen Mietskasernen für ausländische Seeleute gefiel ihm überhaupt nicht. Hier mochten sich alle möglichen Opiumhöhlen oder Sklavenhändlerringe verbergen. Er lächelte etwas gezwungen ob der Sorgen, die so plötzlich in ihm aufwallten, einer Kombination der tiefen Depressionen, die ihn gepackt hielten, und dem ganzen Geschwätz über die düsteren Geheimnisse Londons.
    Es war wahrscheinlich nicht klug gewesen, im Neptun einzukehren oder sich so lange dort aufzuhalten. Hätte er den Auftrag seines Bruders befolgt, dann wäre er bereits seit Stunden aus dem Nebel heraus und zu Hause gewesen, und hätte er sich in seinen Ausschweifungen wenigstens etwas gemäßigt, wäre es nicht schwer gewesen, den Weg zum belebten Rotherhithe-Bahnhof zu finden, ohne sich zu verlaufen. Die Belange seines Bruders vermochte er eher zu ignorieren als die Dummheit, zu der ihn seine Ungeduld verleitet hatte.
    Während er einherschritt und die Kühle des nebligen Morgens die Hitze der Kneipe aus seinen Knochen vertrieb, lauschte er nach dem schnellen Hufgeklapper, das einen vorbeifahrenden Hansom angekündigt hätte, oder wenigstens nach dem dumpfen Gerumpel einer vierspännigen Droschke. Doch alles, was er vernahm, waren sein eigenes schweres Atmen und seine gedämpften Schritte.
    Es gab keine Händler, die zum früh geöffneten Großmarkt mussten, und noch nicht einmal taumelnde Seebären oder provozierende Dirnen waren zu sehen. Seinem vom Bier gesättigten Verstand kam das eigenartig vor, verdammt eigenartig. Er entschied sich knurrig dafür, dies den vielen Vermissten zuzuschreiben. Menschen, besonders jene aus den unteren Schichten, waren abergläubisch und bliesen Sachen wie dieses Verschwinden oder die
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