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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper
Autoren: Nicholas Meyer
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betrifft, und wir werden niemals wissen, wer er wirklich war. Das Rätsel wird sich, so fürchte ich, in die endlose Liste der unbeantworteten Fragen einordnen, deren Gewicht in zunehmendem Maße die Drehung des Planeten verlangsamt.«
    »Und der Vicomte und Mademoiselle Daaé? Was ist aus ihnen geworden?«
    »Sie haben geheiratet und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage.« Er kicherte, diesmal ziemlich laut. »Na, jedenfalls haben sie geheiratet.«
    »Das hört sich schon mehr nach dem Sherlock Holmes an, den ich kenne«, sagte ich, lächelte und fühlte mich auf seltsame Weise beruhigt.
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach unser Gespräch.
    »Entschuldigung, Mr. Holmes«, sagte Mrs. Hudson mit einem respektvollen Unterton. »Der Premierminister ist gekommen, um Sie zu sehen.«
    »Aha. Ich werde gleich bei ihm sein, Mrs. Hudson.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Sie sehen, wie es ist, Watson«, sagte Holmes, nachdem sie sich zurückgezogen hatte. »Zuerst schicken sie den Außenminister, und wenn er keinen Erfolg hat, dann fahren sie schweres Geschütz auf. Ich darf Mr. Asquith auf keinen Fall in meinem Salon schmoren lassen.«
    »Aber was ist denn los?« fragte ich, denn die Angelegenheit mußte eindeutig wichtig sein, wenn das Haupt unserer Regierung sich in die South Downs bemühte.
    »Haben Sie schon einmal etwas von einem gewissen von Bork gehört?«
    »Noch nie, wer ist das?«
    »Ein Mordskerl, Watson«, sagte Holmes und schlug mir wichtigtuerisch aufs Knie. »Ein Mordskerl, der sich für den mordsmäßigen englischen Sport interessiert.« Sein Lächeln verblaßte. »Große und schreckliche Dinge sind im Gange, alter Freund. Dieser von Bork ist wie ein Sandkrümel in den Zahnrädern einiger großer Getriebe, und wenn ich recht verstanden habe, muß er daraus entfernt werden.« Er hielt inne und stieß einen Seufzer aus. »Es wird einige Zeit dauern, diesen von Bork zur Strecke zu bringen. Und sie werden darauf bestehen, daß ich es tue«, fügte er mit einem weiteren Seufzer hinzu. »Sie entschuldigen mich, ja?« *
    »Aber Holmes«, sagte ich, als er schon zur Tür ging. »Gestatten Sie mir wenigstens noch eine Frage.«
    Er zögerte.
    »Eine Frage.«
    Nur eine Frage! Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf und wetteiferten miteinander um die Ehre, gestellt zu werden. Wer war der Komplize des Geistes? Wo und wann wurde der Vicomte verwundet? Was war aus dem armen Plançon geworden? Es gab jedoch eine Frage, die an die Oberfläche meines Bewußtseins schlich und sich stellte, noch bevor ich eine andere hätte formulieren können:
    »Welches war Ihr Ziel, als Sie Paris verließen?«
    Sherlock Holmes zwinkerte in dem verblassenden Licht, während er dort stand, halb im Zimmer und halb schon draußen.
    »Montenegro, alter Freund. Montenegro.«
    Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was er meinte.
    Als ich es dann endlich verstanden hatte, war er bereits verschwunden.

    ENDE

DANKSAGUNG
    Gewöhnlich fühle ich mich bei der Beendigung eines solchen Pastiche genötigt, meine Dankbarkeit und Bewunderung an erster Stelle und in höchster Weise dem glücklichen Genius Arthur Conan Doyles entgegenzubringen, dessen Schöpfung so vielen so große Freude geschenkt hat.
    In diesem Falle muß mit dem Dank an Doyle die gleiche Dankesschuld dem Manne gegenüber entrichtet werden, der Das Phantom der Oper geschrieben hat. Warum Gaston Leroux’ phantastisches, geradezu absurdes Meisterwerk gewöhnlich so gering geschätzt wird, ist mir unverständlich – möglicherweise verstellen die verschiedenen Kino- und Musicalversionen den Verlegern den Blick für seinen wahren Wert, was ein großer Fehler ist. Als Gegenleistung dafür, daß ich es benutzt und meine eigenen Variationen darüber improvisiert habe, fand ich es passend, Leroux zum Dirigenten des Orchesters zu machen, der von sich wahrheitsgetreu sagen konnte, daß er für alles verantwortlich war, was in der Pariser Oper geschah, und daß seiner Aufmerksamkeit auch nicht die kleinste Einzelheit entging. Leroux war ganz offensichtlich ein großer Verehrer von Sherlock Holmes, so daß es also gar nicht anders sein konnte, als daß die beiden sich einmal kennenlernen mußten.
    Ein Bekenntnis: Leroux sagt, daß die Ereignisse, die er schildern wird, sich vor ›nicht mehr als dreißig Jahren‹ ereignet hätten. Da sein Roman 1911 veröffentlicht wurde, würde das 1881 bedeuten können, eine Angabe, die mit der Sherlockianischen Chronologie nicht übereinstimmt. Ich habe
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