Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sharpes Feuerprobe

Titel: Sharpes Feuerprobe
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
marschierende Armee verschaffte ihnen einen reichhaltigen Speiseplan, und jetzt, in diesem letzten Jahr des achtzehnten Jahrhunderts, durchquerten zwei verbündete Armeen diese heiße, fruchtbare Ebene im südlichen Indien.
    Die eine war eine britische Armee, und die andere gehörte einem britischen Verbündeten, dem Nizam von Haidarabad, und beide Armeen stellten den Geiern ein Festmahl zur Verfügung. Pferde und Ochsen und Kamele starben, dann sogar zwei der scheinbar so unverwüstlichen Elefanten – und schließlich starben die Menschen.
    Die beiden Armeen hatten einen Anhang, der zehnmal länger war als sie selbst: eine Menge von Soldatenprostituierten, Händlern, Hirten, Huren, Frauen und Kindern, und unter all diesen Menschen, wie in den Armeen selbst, grassierten die Seuchen. Menschen starben an Ruhr oder am Fieber oder erstickten an ihrem eigenen Erbrochenen. Sie starben um Atem ringend oder schweißgebadet oder gebärdeten sich mit aufgedunsener Haut wie Wahnsinnige. Männer, Frauen und Kinder starben elendiglich, und ob sie begraben oder verbrannt wurden, war gleichgültig, denn letzten Endes bekamen die Geier sie ohnehin, denn es war nicht genug Zeit, um ausreichend Holz für einen richtigen Scheiterhaufen zum Verbrennen zu sammeln, und so rissen die Geier das halb gekochte Fleisch von den glühenden Knochen. Und wenn die Leichen in der Erde verscharrt wurden, konnte kein Haufen Steine verhindern, dass die Aasfresser das geschwollene, verfaulende Fleisch ausgruben und die Geier ihre Schnäbel in die Reste der Leichen hackten, die zurückgeblieben waren.
    Und dieser heiße Maitag versprach Futter in Hülle und Fülle. Die Geier schienen das zu spüren, denn als der Nachmittag verging, schlossen sich immer mehr Vögel dem Schwarm der Geier an, der über den marschierenden Männern kreiste. Die Vögel schlugen nicht mit den Schwingen, sondern schwebten einfach in der warmen Luft und warteten geduldig, als ob sie wüssten, dass das Festmahl des Todes schon bald ihre Mägen füllen würde.
    »Hässliche Bastardvögel«, sagte Sharpe, »nichts als Ratten mit Schwingen.« Doch niemand in der Kompanie des 33. Regiments reagierte darauf. Keiner hatte die Luft, um ihm zu antworten. Die Luft war erfüllt vom Staub, der von den Männern an der Spitze aufgewirbelt wurde, sodass die nachfolgenden Reihen durch eine warme, staubige Dunstmischung wankten, die ihre Kehle ausdörrte und in den Augen brannte.
    Die meisten der Männer nahmen die Geier gar nicht wahr, während einige so erschöpft waren, dass sie noch nicht einmal den Kavallerietrupp bemerkten, der plötzlich eine halbe Meile entfernt im Norden aufgetaucht war.
    Die Reiter trabten neben einem Baumstreifen mit roten Blüten vorbei und verfielen in Galopp. Ihre gezogenen Krummschwerter reflektierten den Sonnenschein, als sie von den Infanteristen abschwenkten, doch dann, so unerklärlich, wie sie schneller geworden und ausgewichen waren, hielten sie plötzlich an.
    Sharpe bemerkte sie. Es war britische Kavallerie. Die feinen Jungs waren gekommen, um zu sehen, wie richtige Soldaten kämpften.
    Voraus, von einer niedrigen Anhöhe, wo sich eine zweite Reitergruppe vor dem Himmel abhob, krachte ein Geschütz. Das Donnern der Kanone war gewaltig und hallte dumpf und bösartig über die Ebene. Der Rauch des Geschützes wallte, als die schwere Kanonenkugel in einige Büsche schlug und Blätter und Blüten zerfetzte, bevor sie Staub aus dem harten Boden riss und mit nachlassendem Schwung gegen einen knorrigen, umgestürzten Baum prallte. Der Schuss hatte die rot berockte Infanterie um gut zweihundert Schritte verfehlt, doch der Kanonendonner weckte die Erschöpften auf.
    »Jesus!«, stieß jemand in der hinteren Reihe hervor. »Was war denn das?«
    »Ein verdammtes Kamel hat gefurzt, was, zum Teufel, hast du denn gedacht?«, antwortete ein Corporal.
    »Es war ein verdammt mieser Schuss«, sagte Sharpe. »Meine Mutter könnte ein Geschütz besser ausrichten.«
    »Ich bezweifle, dass du eine Mutter gehabt hast«, sagte Private Garrard.
    »Jeder hat eine Mutter, Tom.«
    »Nicht Sergeant Hakeswill«, sagte Garrard und spuckte eine Mischung aus Staub und Speichel aus.
    Die Kolonne der Männer hatte angehalten, nicht auf irgendeinen Befehl hin, sondern eher, weil der Kanonenschuss den Offizier der ersten Kompanie entnervt hatte und er nicht mehr wusste, wohin er das Bataillon führen sollte.
    »Hakeswill wurde nicht von einer Mutter geboren«, sagte Garrard hitzig. Er nahm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher